Die Pfeiler des Glaubens
sprechen?«
»Später«, erwiderte Abbas.
Hernando mischte sich unter die Besucher, die im Gefängnis ein und aus gingen, bis er auf den Gefängniswärter stieß. Abbas wartete draußen. Hernando begrüßte den Wärter und fragte nach dem Kerkermeister, der sogleich im Innenhof erschien.
Der dicke und ohnehin ungepflegte Kerkermeister stank heute nach Fäkalien. Hernando wollte gerade zur Seite treten, als ihm der Mann seine völlig verkotete rechte Hand reichte.
»Ist wieder einer in die Latrine geflüchtet?«, fragte Hernando anstelle eines Grußes. Er holte tief Luft und gab seinem Gegenüber die Hand.
»Ja«, bestätigte der Kerkermeister. »Er ist zur Galeere verurteilt, und jetzt hat er sich schon zum dritten Mal in der Scheiße gewälzt, damit wir ihn nicht wegschicken.« Das war eine bekannte Strategie der Gefangenen, die aus der Haft ihrer eigentlichen Strafe zugeführt werden sollten. Sie versteckten sich in den Latrinen und wälzten sich dort am Boden in den Exkrementen. So wollte sie kein Büttel anfassen, aber vermutlich waren drei Mal zu viel, und in dem Fall kam der Kerkermeister persönlich, um den Häftling seiner Galeerenstrafe zuzuführen. »Ich dachte, du würdest nicht mehr kommen«, sagte der Kerkermeister und beendete endlich den Händedruck.
»Das stimmt auch, mein Herr. Aber diesmal bin ich in eigener Sache hier.« Die Augen seines Gegenübers blitzten neugierig auf. »Die Santa Hermandad hat eine Frau und ihr Kind verhaftet.« Der Kerkermeister tat so, als müsste er überlegen. »Sie heißt Aischa, also, María Ruiz.«
»Ich weiß nicht«, begann der Mann und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, um die übliche Bezahlung einzufordern.
»Mein Freund«, widersprach Hernando, »die Frau ist meine Mutter.«
»Deine Mutter? Und was hatte deine Mutter auf dem Camino de las Ventas verloren?«
»Wie ich sehe, könnt Ihr Euch an sie erinnern. Das wüsste ich übrigens auch gern: Ja, was hat sie dort gemacht? Und seid unbesorgt, ich werde mich erkenntlich zeigen.«
»Warte hier.«
Der Mann ging zu einer der Zellen. Da führten die übel gelaunten, fluchenden Büttel den von Kopf bis Fuß mit Kot verschmierten Galeerensträfling heraus. Der Sträfling lachte, die Gefangenen aus den Zellen jubelten ihm zu, und die Besucher im Innenhof traten angeekelt zur Seite. Hernando sah ihnen nach, bis sie das Gebäude verlassen hatten, und als er wieder in den Hof blickte, stand Aischa vor ihm. Shamir war in der Obhut einer anderen Gefangenen.
»Mutter …«
»Hernando«, flüsterte Aischa gerührt.
»Können wir einen Moment allein sein?«, fragte Hernando den Kerkermeister.
Der Mann führte sie in einen kleinen, fensterlosen Raum neben der Wachstube, der als Lager genutzt wurde.
»Was hast du …?«, fragte er, sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
»Komm her, mein Sohn«, unterbrach ihn Aischa.
Er betrachtete seine Mutter, die ihm mit offenen Armen gegenüberstand, als wagte sie es nicht, bei ihm Zuflucht zu suchen. Noch nie hatte sie diese Bitte geäußert! Eine Sekunde lang erinnerte Hernando s
ich an Juviles und daran, wie sie dort jegliche Liebesbeweise aus Angst vor Ibrahim unterdrücken musste, und jetzt … Er nahm sie in die Arme. Aischa wiegte ihn und summte eines der alten Lieder aus seiner Kindheit, dabei versagte ihr immer wieder die Stimme.
»Was hast du auf dem Camino de las Ventas gemacht, Mutter?«, fragte er mit belegter Stimme.
Aischa berichtete ihm von der Flucht in die Berge und von ihrer Begegnung mit den Aufständischen und mit Ubaid, davon, wie der Monfí seinem Stiefvater die Hand abhackte und wie er ihr und Shamir das Leben schenkte.
»Ich habe ihn angespuckt und beleidigt«, gestand sie zitternd. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie ihren Ehemann in diesem Zustand in der Sierra Morena im Stich gelassen hatte.
Hernando hätte am liebsten laut losgelacht. Dieser elende Ibrahim! Endlich hatte sich seine Mutter gegen ihn aufgelehnt. Aber etwas in seinem Inneren hielt ihn davon ab.
»Er hat sein Schicksal selbst gewählt«, sagte er nur.
Aischa zitterte und nickte fast unmerklich.
»Ubaid will dich umbringen«, warnte sie ihren Sohn. »Er ist gefährlich. Er ist der Stellvertreter eines der Monfí-Anführer in den Bergen und …«
»Mach dir keine Sorgen, Mutter«, unterbrach er sie nicht sonderlich überzeugt. »Er wird niemals nach Córdoba kommen. Du darfst jetzt nur an dich und an den Jungen denken. Wie behandeln sie euch
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