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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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hier?«
    »Niemand belästigt uns … und wir haben zu essen.«
    Abbas akzeptierte Hernandos Schweigen, als sie wieder nebeneinander gingen. Der Abschied im Gefängnis hatte sich hingezogen: Aischa schluchzte und schien ihren Sohn bei sich behalten zu wollen, und er wollte sie dort nicht zurücklassen.
    Aischa spürte die bebenden Lippen ihres Sohnes und bemerkte seinen unruhigen Atem, aber bevor ihn die Tränen übermannten, forderte sie ihn auf zu gehen. Hernando rief nach dem Kerkermeister und versprach ihm Geld und Gefälligkeiten dafür, dass er sie gut behandelte und versorgte. Dann verließ er das Gefängnisgebäude und sah immer wieder zu der Tür, hinter der seine Mutter verschwunden war.
    »Worüber wolltest du vorher mit mir reden?«, fragte er Abbas, als er sich von der Begegnung einigermaßen erholt hatte.
    »Geht es deiner Mutter gut?«, fragte dieser zurück. Hernando nickte. »Hat man sie ausgepeitscht?«
    »Nein … Nicht dass ich wüsste.«
    »Dann hat sie eine milde Strafe erhalten.«
    Aischa hatte ihn fest umarmt, überlegte Hernando, und sie hatte nicht über Schmerzen geklagt. Sie hatten sie wohl nicht ausgepeitscht, oder?
    »Später musst du mir berichten, was geschehen ist, vor allem, was mit deinem Stiefvater passiert ist«, sprach Abbas weiter. »Wir müssen das wissen.«
    »Wir?«, fragte Hernando erstaunt.
    »Ja. Ein geflohener Glaubensbruder … betrifft die gesamte Gemeinde. Die Christen werden Fragen stellen.«
    »Aber niemand wird etwas verraten«, meinte Hernando.
    Sie streiften durch die verwinkelten Gassen der Medina.
    »Mach dir nichts vor, Hernando. Auch bei uns gibt es Verräter.«
    Hernando blieb stehen und runzelte entsetzt die Stirn.
    »Ja!«, beharrte Abbas. »Es gibt auch muslimische Verräter. Und der Ältestenrat hat dich auserwählt …«
    »Wer bist du? Woher weißt du das alles?«
    Abbas seufzte. Dann gingen sie weiter.
    »Da ich im Marstall arbeite, konnte ich dir so schnell von deiner Mutter berichten, aber sie wollen auch, dass ich dir noch etwas vorschlage.« Abbas legte eine Pause ein. »Alle Moriskengemeinden in Spanien sind organisiert. Alle haben ihren Mufti und ihren Alfaquí. Valencia, Aragonien, Katalonien, Toledo und Kastilien … Überall gibt es Gemeinden mit festen Hierarchien und Ämtern, manche haben sogar einen König! Sie tauschen sich mit ihren Glaubensbrüdern aus, oder sie bauen eine neue Gemeinde auf, wie hier in Córdoba.«
    »Aber ich …!«
    »Hör zu! Du darfst niemandem vertrauen. Es gibt nicht nur Verräter. Viele unserer Glaubensbrüder gestehen unter Folter, obwohl sie es nicht wollen. Wir beide können über alles reden, und ich werde versuchen, alle deine Fragen zu beantworten, aber du musst mir schwören, dass du niemandem davon erzählst, auch wenn du unseren Vorschlag nicht annimmst.« Ihre Schritte hatten sie in die Calle del Reloj geführt. »Schwörst du das?«
    »Ja«, versicherte Hernando. »Aber wie weiß ich, dass ich dir vertrauen kann?«
    Abbas lächelte.
    »Du lernst schnell! Vertraust du Hamid, dem Sklaven aus der Hurengasse?«
    »Ihm vertraue ich mehr als mir selbst«, antwortete Hernando.
    Sie spazierten zur Bordellgasse, wo Hamid gerade beschäftigt war und nicht zu ihnen kommen konnte. Als er die beiden sah, machte er aber vom Tor aus eine zustimmende Geste, die Hernando sofort verstand: Der Schmied war absolut vertrauenswürdig.
    In der Nacht sperrte sich Hernando in sein Zimmer ein. Er überprüfte mehrmals, ob die Tür tatsächlich von innen verriegelt war, setzte sich auf den Fußboden und ließ seine Finger über den Einband eines abgegriffenen Korans gleiten. Dann schlug er das göttliche Werk auf und blätterte darin.
    »Es steht mir nicht an, über deine Stärken und deine Fehler zu befinden«, hatte Abbas an diesem Morgen gesagt, »aber es gibt etwas, was für unsere Glaubensbrüder sehr wichtig ist: Du kannst lesen und schreiben. Das sind Kenntnisse, die die meisten von uns nicht haben.«
    Bücher, die in Arabisch geschrieben waren oder die vom Islam handelten, waren strengstens verboten, und wer so ein Buch bei sich trug, landete in den dunkelsten Verliesen der Inquisition. Abbas, der mit seiner Familie ebenfalls im Geschoss über den Stallungen lebte, wirkte jedoch unbesorgt, als er ihm mit größter Vorsicht das Koranexemplar überreichte.
    »Es sind viele Bücher in Umlauf«, berichtete er. »Wir haben Übersetzungen und Aufsätze des berühmten Kadis Iyad über die Wunder des Propheten, aber auch einfache

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