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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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Handschriften mit Versen oder Prophezeiungen auf Arabisch – oder auf Spanisch in arabischer Schrift. Wir verstecken sie, um unsere Gesetze und unseren Glauben zu bewahren. Denk daran, jedes Buch ist äußerst kostbar. Kardinal Cisneros, der die Katholischen Könige dazu brachte, die Friedensverträge mit den Muslimen zu brechen, verbrannte in Granada mehr als achtzigtausend unserer Schriften. Du musst das göttliche Werk also als das behandeln, was es ist: der Schatz unseres Volkes.«
    Der Schatz unseres Volkes! Hernando wurde schon wieder zum Hüter eines Schatzes.
    Er würde viel lesen und noch mehr lernen müssen. Und er sollte schreiben. Er sollte das Wissen weitergeben und den Geist der Muslime wach- und am Leben halten. Hernando nahm die Aufgabe an.
    Abbas hatte ihn auf ihrem Heimweg in ein Wirtshaus eingeladen. Zu Hernandos Überraschung bestellte er zwei Gläser Wein, mit denen sie vor den Augen der anderen Gäste anstießen.
    »Du musst christlicher sein als jeder Christ, und zugleich musst du muslimischer sein als jeder Einzelne von uns«, flüsterte er.
    Es war still. Durch das Fenster drangen nur die leisen Geräusche der etwa einhundert Pferde unter seinem Zimmer. Einige scharrten unruhig, andere wieherten leise oder schnaubten.
    Er schlug den Koran zu und versteckte ihn in der Truhe. Er musste möglichst bald einen sichereren Platz dafür finden, dachte er, als er das Buch in dem ansonsten leeren Holzkasten liegen sah. Hoffentlich würde Fatima ihn bald mit ihren Habseligkeiten und Kleidern auffüllen – und vielleicht auch denen eines Kindes. Hernando verschloss die Truhe. Fatima! Er wäre ohnehin auf den Vorschlag des Ältestenrates eingegangen, aber als Abbas ihm gesagt hatte, dass sie auch auf Fatima zählten, zögerte er keinen Augenblick mehr.
    »Unsere Frauen geben unser Wissen an unsere Kinder weiter«, hatte ihm der Schmied erklärt. »Ihre Bildung hängt von den Frauen ab, und sie übernehmen diese Aufgabe mit Stolz und voller Hoffnung. Außerdem vermeiden wir so die Anklagen durch die Inquisition. Wann hätte ein Kind schon die eigene Mutter denunziert? Und niemand verdächtigt eine Frau, die mit anderen Frauen zusammensitzt und schwatzt.«

34
    D ie zweimonatige Wartezeit endete an einem Mittwoch, aber Karim bat Hernando, Fatima erst nach dem Gottesdienst am Sonntag abzuholen. Nach islamischem Recht waren sie noch nicht verheiratet, und die Hochzeit, die heimlich stattfinden sollte, stellte den jungen Mann vor ein neues Problem: Er hatte nicht genug Geld, und ohne Brautgabe konnte es keine Eheschließung geben. Der Großteil seines Lohns war in die Taschen des Kerkermeisters gewandert, und der Rest reichte gerade für seine alltäglichen Ausgaben. Wieso hatte er nicht an die dafür nötige Vierteldublone gedacht?
    »Ein Ring ist völlig ausreichend«, hatte Hamid ihn zu beruhigen versucht.
    »Aber nicht einmal dafür habe ich Geld«, hatte Hernando geklagt. Er kannte die Preise der Silberschmiede in Córdoba.
    »Dann nimm einen Ring aus Eisen.«
    Als Hernando am Sonntag die Kirche San Bartolomé nach dem Gottesdienst verließ, machte er sich zur Calle de los Moriscos im Viertel Santa Marina auf. Unterwegs strich er immer wieder über den wunderschönen Ring, den ihm Abbas aus Eisenresten geschmiedet hatte. Er fuhr mit dem Finger über die filigranen Ornamente und lächelte.
    Als Hernando schließlich an der Calle de los Moriscos ankam, sah er zwei junge Morisken an der Straßenecke stehen, die in ein Gespräch vertieft schienen: Es waren Wachen, die ihre Glaubensbrüder warnen würden, sobald sich ein Geistlicher oder ein Jurado näherte. Sie grüßten Hernando fröhlich, und ein dritter Moriske, der wie aus dem Nichts auftauchte, begleitete ihn zu Karims Haus.
    Jalil, Karim und Hamid begrüßten ihn im Inneren des kleinen, alten Wohnhauses herzlich, aber Hernando musste an seine Mutter denken: Bei seinem zweiten Besuch im Gefängnis hatte ihn Aischa gebeten, nicht wiederzukommen.
    »Du hast bei den Christen gute Arbeit gefunden«, hatte sie gesagt. »Es ist besser, wenn niemand sieht, dass du mich hier im Kerker besuchst – sonst bringen sie dich noch mit deinem flüchtigen Stiefvater in Verbindung.«
    Zu gern hätte er seine Mutter an diesem besonderen Tag dabeigehabt! Hamid lächelte Hernando an und führte ihn zu Fatima. Als er seine Braut nun vor sich sah, verschlug es ihm den Atem. Sie war in eine schneeweiße Leinentunika gekleidet, die ihren dunklen Teint betonte und ihre

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