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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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des muslimischen Glaubens, die wir derzeit in einigen Streitschriften erkennen können, führen nur dazu, dass das eigentliche Ziel der Moriskengemeinschaft geschwächt wird.«
    Sobald Don Álvaro das Haus wieder verließ und genug gegen die Lutheraner und ihre Angriffe auf den Lebenswandel des katholischen Klerus gewettert hatte, kam Hamid entrüstet aus seinem Zimmerchen und schüttete unverzüglich die Weinreste in den Ausguss.
    »Aber der Wein hat Geld gekostet!«, rief Hernando, ließ ihn jedoch gewähren und unterdrückte ein Lächeln.
    Er hieß Azirat und brachte eine der größten Veränderungen in Hernandos Leben mit sich.
    Bereits unter Kaiser Karl V. war die spanische Monarchie bankrott. Seit fünf Jahren war das Königreich im Prinzip zahlungsunfähig. Nicht einmal die Unmengen Silber und Gold aus der Neuen Welt reichten, um die spanischen Streitkräfte zu bezahlen. Dazu kamen noch die exorbitanten Kosten für das aufwendige Hofzeremoniell. Das Gold floss aus Spanien genauso schnell wieder ab, wie es hereingekommen war. Die Hidalgos, der Klerus und zahlreiche Städte kamen ihren Steuerzahlungen nicht nach, und die gesamte Steuerlast musste von der einfachen Landbevölkerung getragen werden, die so nur noch mehr verarmte.
    1580 spitzte sich die wirtschaftliche Lage weiter zu: Der portugiesische König Sebastian I. war bei dem Versuch, Marokko zu erobern, in Alcazarquivir gestorben. Nun machte sein Onkel König Philipp II. von Spanien Erbansprüche auf den portugiesischen Thron geltend. Nicht nur Brasilien und die Handelsrouten nach Ostindien waren fest in portugiesischer Hand, Portugal kontrollierte zudem die gesamte afrikanische Küste von Tanger bis nach Mogadischu. Durch die Verbindung mit Portugal würde Spanien zum größten Weltreich der Geschichte. Aber das portugiesische Volk lehnte sich gegen ihn auf, und der spanische König führte unter dem Befehl des mittlerweile zweiundsechzigjährigen Herzogs von Alba einen Feldzug in dem benachbarten Königreich.
    Die Auswirkungen all dieser enormen Ausgaben machten sich auch im königlichen Marstall bemerkbar. Philipp II. bedachte nach wie vor seine Günstlinge, verschiedene ausländische Herrscher und vor allem sich selbst mit Prachtexemplaren der neuen spanischen Rasse, aber der Mangel an Geldmitteln war deutlich zu spüren. Im Marstall war es mittlerweile üblich, nicht gezahlte Löhne der Bereiter, Stallknechte und des gesamten Personals mit Jungtieren auszugleichen, die für die Weiterzucht nicht in Betracht kamen.
    Hernando hatte Azirat als Ersatz für einen Teil des ausstehenden Lohns erhalten.
    Wegen seines glänzenden feuerroten Fells kam er für die Zucht der neuen spanischen Rasse nicht infrage. Er war Hernando wegen seiner eleganten Bewegungen, seines Ungestüms und seiner Schnelligkeit vom ersten Moment an aufgefallen, als sie auf der Pferdeweide die Jungtiere beschlugen und im Register verzeichneten. Das Tier sollte eigentlich den Namen Andarín – der »Wanderer« – erhalten, doch Hernando hatte schon längst einen anderen Namen für ihn ausgesucht.
    »Ich werde ihn ›Azirat‹ nennen«, sagte er zu Abbas.
    Abbas runzelte die Stirn. Er wusste, was sein Gefährte mit diesem arabischen Namen ausdrücken wollte. Hernando nickte. Sirat war die lange und schmale Brücke im Jenseits. Sie überspannte die Hölle, und die Gottesfürchtigen eilten darüber ins Paradies, während die anderen ins Höllenfeuer stürzten.
    »Es bringt Unglück, wenn man den Namen eines Pferdes ändert«, warnte ihn der Schmied. »Und wenn es rauskommt, kann man zum Tode verurteilt werden.«
    »Na und? Dann würde Azirat mich schnell wie der Blitz über die Brücke bringen«, schlug er den Rat seines Freundes in den Wind. »Er würde darüber hinwegjagen, ohne abzustürzen und ohne sie zu zerstören. Es wäre, als würden seine Hufe den Boden nicht einmal berühren … als würde er fliegen!«
    Hernando war mit seinen sechsundzwanzig Jahren ein Familienoberhaupt und ein hochgeachtetes und einflussreiches Mitglied der Moriskengemeinde. Er war immer von anderen Menschen umgeben, und er war auch immer für die anderen da. Azirat erlaubte ihm einige Momente der Freiheit, wie er sie noch nie erlebt hatte, und wann immer er konnte, zäumte er das Pferd auf und ritt mit ihm hinaus ins Freie. Hernando genoss die Ruhe und hing seinen Gedanken nach. Manchmal ritt er auch zu den Weiden, auf denen zwischen Korkeichen die Stiere grasten, und kämpfte mit ihnen, ohne sie

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