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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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sind für dich nicht so wichtig, oder?«, hatte er ihn eines Tages gefragt. »Du hast die Bilder noch nie als solche betrachtet – also aus religiöser Ehrfurcht. Du interessierst dich eher für die Technik der Malerei.«
    Und so war es. Hernando faszinierte die Methode, die dieser Italiener anwandte, um die Capilla del Sagrario zu gestalten. Sie war so anders als die der hiesigen Künstler. Er malte al fresco .
    Der Italiener verputzte den Teil der Wand, den er bemalen wollte, mit einer zähen Mischung aus grobem Sand und Kalk, die er dann sorgfältig glatt strich, um sie anschließend mit Marmorpulver und noch mehr Kalk zu bearbeiten. Solange diese Schicht noch frisch und feucht war, konnte er seine Farben auftragen. Deshalb kam es nicht selten vor, dass italienische Ausrufe und Flüche durch die Kathedrale tönten, wenn der Künstler bemerkte, dass der Kalkputz trocknete, bevor sein Tagwerk beendet war.
    Der Maler wusste, dass Hernando ein Neuchrist war, aber er vermutete, dass er nach wie vor Mohammeds Glauben anhing. Der Moriske hatte keine Bedenken, sich dem Italiener anzuvertrauen. Er war davon überzeugt, dass auch Arbasia ein Geheimnis hatte: Er verhielt sich zwar wie ein Christ, er malte Gott, die Heilige Jungfrau, die Märtyrer von Córdoba und die Engel, aber sein Verhalten und seine Äußerungen unterschieden sich von denen der frommen Spanier.
    »Der große Meister Leonardo da Vinci hat gesagt, dass die Gläubigen Gott lieber in den Bildern finden, als über das Göttliche in den Schriften zu lesen«, erläuterte der italienische Maler eines Tages.
    »Wer ist Leonardo da Vinci?«
    »Ein Bruder im Geiste, den ich sehr verehre«, antwortete Arbasia.
    »Ich halte mich lieber an das geschriebene Wort«, bekannte Hernando. »Ich werde Gott niemals in einfachen Bildern finden.«
    »Nicht alle Bilder sind einfach, mein Freund. Viele Bilder zeigen etwas, was die Bücher verbergen.«
    Mit dieser rätselhaften Feststellung des Italieners endete ihr Gespräch an dem Tag.
    Der Palast des Herzogs von Monterreal lag im Stadtviertel Santo Domingo, im Norden der Mezquita. Das Hauptgebäude stammte aus dem 14. Jahrhundert, und ein ehemaliges Minarett bezeugte auch hier die frühere Blüte des Kalifats. Das Gebäude bestand aus zwei Stockwerken mit sehr hohen Decken und war im Laufe der Jahre durch die zahlreichen Anbauten zu einem verwinkelten Labyrinth herangewachsen. Es gab zwei große Gärten und zehn Innenhöfe, die die einzelnen Gebäudeteile miteinander verbanden. Das Innere des Palastes zeugte vom Reichtum des Aristokraten: schwere Möbel, große Skulpturen, kostbare Wandteppiche und Ölgemälde, so weit das Auge reichte, reichlich Silber- und Goldbesteck, Lederarbeiten und bestickte Seidenstoffe. Es gab zahlreiche Schlafgemächer mit Latrinen, eine Küche, diverse Lager und Vorratskammern, eine Hauskapelle, eine Bibliothek, ein Audienzzimmer mit Vorzimmer, Diensträume für die Verwaltung, Stallungen sowie großzügige Säle für Festlichkeiten und Empfänge.
    1584 war Hernando dreißig und der Herzog neununddreißig Jahre alt. Aus seiner ersten Ehe hatte der Herzog einen sechzehnjährigen Sohn, aus der zweiten – vor acht Jahren mit Doña Lucía, einer kastilischen Adligen – geschlossenen Verbindung gab es zwei Mädchen im Alter von sechs und vier Jahren sowie den kleinen, zweijährigen Sohn. Fernando, den Erstgeborenen, hatte man nach Madrid an den Hof geschickt, Doña Lucía und ihre drei Kinder hingegen lebten in dem Palast in Córdoba. Zudem wohnten elf Hidalgos aller Altersgruppen im Palast – mittellose Angehörige der weit verzweigten Familie, die Don Alfonso de Córdoba in seiner Funktion als Majoratsherr aufgenommen hatte und nun versorgte.
    Der Hofstaat, der ebenfalls auf Kosten des Herzogs lebte, war eine bunte Mischung aus hochmütigen Hidalgos und zurückhaltenden Verwandten wie dem schweigsamen Don Esteban, einem kriegsversehrten Feldwebel der Tercios, den Don Alfonso wegen seiner Situation als » verschämter Armer « in den Palast geholt hatte.
    Die »verschämten Armen« waren mittellose Männer und Frauen, die von der auf Ehre erpichten spanischen Gesellschaft zwar akzeptiert wurden, deren Status es jedoch weder zuließ zu arbeiten noch öffentlich zu betteln. Man gründete eigene Bruderschaften, um sich ihrer Bedürfnisse anzunehmen, und erforschte ihre Herkunft und ihren Stand. Wenn ihre Situation für die anderen Adligen tatsächlich beschämend war, erbaten die Bruderschaften in

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