Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
Vom Netzwerk:
beteiligte. Die Dolchklinge glänzte in seiner Hand, und die Frau stieß ihn wieder an. Hernando ging auf die Christen zu. Was sollte er denn machen? Wie sollte er jemanden umbringen? Inzwischen hatte sich Gonzalicos Schwester losgerissen, sie lief zu ihm und umklammerte seine Hand.
    »Rette ihn«, flehte Isabel.
    Gonzalico retten? Er sollte ihn doch umbringen! Die rundliche Moriskin hatte ihn fest im Blick und …
    Er packte Isabel am Arm, stellte sich hinter sie und setzte den Dolch bedrohlich an ihre Kehle. Nun zwang auch er Isabel, die Gräuel mit anzusehen. Die Moriskin schien sich damit zufriedenzugeben.
    »Rette ihn«, forderte Isabel schluchzend. Sie machte keine Anstalten zu fliehen.
    Ihre flehende Stimme zerriss ihm das Herz.
    Aber er zwang sie hinzusehen, und er tat es ihr gleich: Jetzt ging Ubaid zu Gonzalico. Einen Augenblick lang sah Ubaid zu Hernando und Isabel herüber, dann packte er den Jungen am Schopf und drehte seinen Kopf so, dass er dessen Kehle vor sich hatte. Der Junge leistete keinen Widerstand. Ubaid schnitt ihm die Kehle durch und beendete so das Gebet, das von seinen Lippen klang. Isabel verstummte, sie hielt – wie Hernando – den Atem an. Ubaid ließ Gonzalicos Körper nach vorn fallen. Er kniete nieder, rammte seinen Dolch in den Rücken des Kindes und wühlte darin herum, bis er das blutige Herz herausriss und es unter Triumphgeheul hochhielt. Schließlich ging er damit zu Hernando und Isabel und warf es ihnen vor die Füße.
    Hernando übte keinerlei Gewalt über das Mädchen aus, aber dennoch wich Isabel nicht von seiner Seite. Keiner der beiden schaute auf das Herz. Das Gemetzel ging weiter. Ein Moriske stach dem Pfründenbesitzer mit seinem Faustdolch ein Auge aus, ehe einige andere Männer ihre Wut mit Messern an ihm ausließen. Zwei Geistliche starben den Märtyrertod, indem man sie mit Pfeilen durchbohrte, andere wurden langsam gevierteilt. Ein Mann hieb unermüdlich mit seiner Hacke auf etwas ein, das nur noch eine undeutliche, blutige Masse war, er konnte offenbar nicht davon ablassen. Ein anderer Mann hatte einen abgetrennten Kopf auf seine Pike gespießt, stellte sich vor die Christinnen und wirbelte damit vor ihren Gesichtern herum. Schließlich gingen die wilden Schreie in Freudengesänge über, mit denen die Morisken das blutige Ende der Christen feierten. »Ich werde für Christus sterben.« Hernando betrachtete Gonzalicos aufgeschlitzte Leiche: Sein lebloser Körper war nur einer von vielen, die neben der Kirche in einer riesigen Blutlache lagen. Hernando hatte große Mühe, die Tränen zu unterdrücken. Einige Monfíes trampelten über die Leichname und suchten nach Überlebenden, denen sie den Todesstoß versetzen konnten. Die meisten lachten und schwatzten dabei. Dann griff jemand zur Schalmei, und die Männer und Frauen im Dorf tanzten zur Musik. Niemand achtete im allgemeinen Freudentaumel mehr auf die gefangenen Christinnen. Aber die Moriskin, die Hernando den Dolch gegeben hatte, riss Isabel von seiner Seite und schubste sie zu den übrigen Christinnen. Dann forderte sie von Hernando die Waffe zurück.
    Hernando hielt den Dolch fest in der Hand, er konnte seine Augen einfach nicht von der Leichenansammlung abwenden.
    »Gib mir den Dolch zurück«, fuhr ihn die Frau an.
    Hernando rührte sich nicht.
    Die Frau schüttelte ihn.
    »Dolch her!« Hernando gab ihr wie in Trance die Waffe. »Wie heißt du?«
    Die Frau konnte mit seinem Gestammel nichts anfangen und schüttelte ihn wieder.
    »Wie heißt du?«
    »Hamid«, antwortete Hernando, als er wieder zu sich kam, »ibn Hamid.«
    Am Tag des Gemetzels in Cuxurio de Bérchules erhielten Seniz und Partal von Farax – dem Färber aus dem Albaicín und Anführer des Aufstandes – den Befehl, die Beute und die gefangenen Christinnen in die Burg von Juviles zu bringen. Sie erfuhren zudem, dass die Morisken in Béznar – einer Stadt am westlichen Zugang der Alpujarras – Don Fernando de Válor zum König von Granada und Córdoba ausgerufen hatten.
    Wie Hamid gehörte auch der neue König einer muslimischen Adelsfamilie aus Granada an. Aber im Gegensatz zum Alfaquí aus Juviles behauptete er, dass seine Familie mit den cordobesischen Kalifen der Umayyaden-Dynastie verschwägert sei. Seine Familie hatte sich, im Gegensatz zu Hamids Familie, nach der Einnahme von Granada in die christliche Gemeinde integriert. Sein Vater wurde sogar zum Veinticuatro – zum adeligen Ratsmitglied der Stadt – ernannt, kurz darauf jedoch

Weitere Kostenlose Bücher