Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
Vom Netzwerk:
Gonzalico – stützte. Sie sprachen nur wenig, aber Hernando entging nicht die tiefe Zuneigung der Geschwister zueinander.
    In Cuxurio de Bérchules bot sich ihnen das gleiche Bild wie in allen anderen aufständischen Dörfern der Alpujarras: Die Kirche war geplündert und entweiht, die Morisken feierten im Freudentaumel, und die Christen waren gefangen genommen worden. Im Ort wurde Partal bereits von einem weiteren Trupp Monfíes und deren Anführer Lope El Seniz erwartet. Man hatte beschlossen, den Christen noch eine letzte Chance zu geben. Aber nach den jüngsten Erfahrungen in Alcútar gaben sie den Gelehrten diesmal die Anweisung, den Christen die Schändung und den Tod ihrer Frauen anzudrohen, wenn sie sich nicht zum Islam bekannten.
    »Er weiß so viel wie ein kleiner Alfaquí«, brüstete sich Ibrahim vor Partal und Seniz angesichts des merkwürdigen Anblicks seines Stiefsohns und der Alten, auf der ein blasser Christenjunge saß, flankiert von der hellblonden Isabel. »Kennt ihr Hamid aus Juviles?« Beide nickten. Wer in den Alpujarras kannte nicht den alten Hamid? »Hernando ist sein Schützling. Hamid hat ihn im wahren Glauben unterwiesen.«
    Partal kniff die Augen zusammen. Die Bekehrung eines so kleinen Jungen, dachte er bei sich, könnte den Widerstand dieser sturen Christen vielleicht schneller brechen als alle Drohungen.
    »Komm her!«, befahl er. »Wenn das stimmt, was dein Stiefvater behauptet, bleibst du heute Nacht bei dem kleinen Christen und bringst ihn dazu, seinen Glauben aufzugeben.«
    Während die Morisken in Cuxurio de Bérchules auf der Zwangsbekehrung der Christen beharrten, erfuhr die Rebellion in den Alpujarras ihren ersten entscheidenden Rückschlag. Am Weihnachtsabend hatten sich in Granada weder die Morisken des Albaicín-Viertels noch die in der Vega dem Aufstand angeschlossen. Farax, der reiche Färber, zog mit seinen hundertachtzig als Türken verkleideten Männern durch den Albaicín von Granada. Sie sollten die Bewohner zum Aufstand anstacheln. Doch als sie durch die engen Gassen des alten Moriskenviertels liefen, blieben die Türen der Bewohner verschlossen, und die christlichen Truppen verließen nicht wie geplant ihr Quartier in der Alhambra.
    »Wie viele seid ihr überhaupt?«, konnte man durch einen Fensterspalt hören.
    »Sechstausend«, log Farax.
    »Ihr seid zu wenige, und ihr habt es zu eilig.«
    Dann wurde das Fenster wieder geschlossen.

6
    G onzalico begann sofort zu zittern, als man ihm die Decken wegnahm, die ihn die Nacht über gewärmt hatten.
    »Ist er bekehrt?«, bellte einer von Seniz’ Männern im frühen Morgengrauen.
    Hernando und Gonzalico hatten die Nacht an einem Lagerfeuer verbracht. Neben ihnen ruhten die Maultiere. Die beiden hockten schweigend da und starrten in die Glut, als der Monfí sie mit der Frage überrumpelte. Sich bekehren lassen? Der kleine Christ hatte mit der Stimme eines Kindes und der Hartnäckigkeit eines Mannes an seinem Glauben festgehalten. Er hatte sogar zu seinem Gott gebetet! Er hatte seine Seele dem Herrn der Christen anvertraut!
    Hernando schüttelte erschöpft den Kopf. Ohne weitere Umstände packte der Monfí Gonzalico am Arm und riss ihn fort.
    Sollte er ihnen folgen? Und wenn er sich doch noch von seinem Glauben lossagte? Hernando sah, wie die Glut erlosch. Genau wie das Leben des kleinen Christen, dachte er. Er war doch nur ein Kind! Gonzalico versuchte, mit dem Mann Schritt zu halten, dabei stolperte er immer wieder, fiel zu Boden und wurde einfach weitergeschleift. Hernando stiegen Tränen in die Augen. Er stand auf und folgte den beiden.
    »Eure Könige haben uns gezwungen, unseren Glauben aufzugeben«, hatte Hernando dem Jungen in der Nacht erklärt. »Und das haben wir gemacht. Sie haben uns getauft.« Gonzalico sah ihn mit seinen großen graubraunen Augen an. »Und da wir jetzt herrschen werden …«
    »Aber ihr werdet niemals im Himmel herrschen«, unterbrach ihn Gonzalico.
    »Und selbst wenn es so wäre«, hatte er ihm geantwortet, ohne weiter auf die dahinterstehende Frage einzugehen, »was hindert dich daran, hier auf Erden deinen Glauben aufzugeben?«
    Der Junge fuhr erschrocken zusammen.
    »Ich soll Jesus leugnen?«, fragte er mit kaum vernehmbarer Stimme.
    Wie dumm waren diese Christen denn eigentlich? Also erzählte Hernando ihm von dem Fatwa, das der Mufti von Oran bei der Zwangsbekehrung der spanischen Muslime ausgesprochen hatte. »Wenn man euch zwingt, Wein zu trinken, so trinkt ihn, allerdings nicht

Weitere Kostenlose Bücher