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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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in dem Jesus, den du gemalt hast, einen gewöhnlichen Sterblichen gesehen – ein menschliches Wesen, das eine … das jemanden zärtlich umarmt. Dieser Mensch wirkt liebenswürdig, er scheint sogar zu lächeln. Das ist nicht der ewige und allmächtige Sohn Gottes, der leidende, schmerzvolle und blutende Jesus Christus, den man überall in der Kathedrale findet.«
    Arbasia gab keine Antwort. Er führte eine Hand zum Kinn und dachte nach. Hernando respektierte sein Schweigen.
    »Du bist Muslim«, sagte er schließlich, »und ich bin Christ.«
    »Aber …«
    Der Meister bedeutete ihm, nicht weiterzusprechen.
    »Es ist schwer zu sagen, wer im Besitz der Wahrheit ist. Ihr? Wir? Die Juden? Oder vielleicht die Lutheraner? Sie haben sich von der kirchlichen Doktrin abgewandt. Haben sie deshalb recht? Es gibt viele Christen, die die offizielle Lehre der Kirche nicht akzeptieren.« Arbasia hielt einen Moment inne. »Fest steht nur, dass wir alle an einen einzigen Gott glauben: den Gott Abrahams. Die Muslime sind in diese Gebiete hier eingefallen, weil andere Christen – die Arianer, die mittlerweile selbst zu Ketzern erklärt wurden – sie gerufen haben. Es gab auch in Nordafrika Anhänger des Arius, aber die kastilischen Arianer haben erst viel später begriffen, dass die Araber, die ihnen zu Hilfe kamen, in Wirklichkeit Muslime waren. Verstehst du? Der Arianismus, der nur eine Variante des Christentums ist, und der Islam waren sich sehr ähnlich. Für die kastilischen Arianer war der Islam eine Religion, die Gemeinsamkeiten mit ihrer Religion aufwies: Beide leugnen die Göttlichkeit von Jesus Christus. Aus diesem Grund konnten die Reiche der Hispania auch innerhalb von nur drei Jahren erobert werden. Es gibt nur einen einzigen Gott, Hernando, und zwar Abrahams Gott. Doch jeder sieht in ihm etwas anderes. Und … es ist besser, wenn wir das nicht weiter vertiefen. Die Inquisition …«
    »Aber wenn jene Christen, die Jesus Christus wirklich kannten, behaupten, dass er nicht Gottes Sohn war …«, versuchte Hernando nachzufassen.
    »Wir sind nur Menschen. Wir stellen Unterschiede fest, wir interpretieren, wir wählen aus. Gott ist immer der Gleiche. Ich denke, das leugnet niemand. Und jetzt lass uns essen«, sagte er noch und stand hastig auf. »Der Hammel ist bestimmt schon fertig.«
    Während des Abendessens wich Arbasia jedem Gespräch über seine Malerei in der Capilla del Sagrario und über das Barnabas-Evangelium aus. Hernando bedrängte seinen Gastgeber nicht weiter.
    »Mögen dich Glück und Weisheit stets begleiten«, verabschiedete sich der Maler von seinem Gast an der Haustür.
    Als Hernando im Palast ankam, fragte er sich immer noch, was er mit diesem Evangelium nur anstellen solle. Er hätte Abbas gern um Rat gefragt, doch von Aischa wusste er, dass sich der Schmied inzwischen mit gewaltbereiten Männern umgab, die er gegen die Christen aufhetzte. Der neue Rat der Gemeinde hatte den geheimen Plan, das offenbarte Wort unter die Muslime zu bringen, längst aufgegeben und setzte stattdessen auf den Kampf. In ganz Córdoba machten Gerüchte über Revolten und Aufstände die Runde, was die Feindseligkeiten zwischen Altchristen und Neuchristen nur verschärfte. Der letzte Versuch lag etwa ein Jahr zurück, und die Inquisition hatte sofort einen genauen Bericht angefordert. Dabei war es um eine Verschwörung zwischen den Türken und dem König von Navarra gegangen. Der Hugenotte – und Erzfeind Philipps II. – wollte mithilfe der Morisken in Spanien einfallen.
    Hernando wusste, dass Abbas und seine Anhänger ihn nicht mit offenen Armen empfangen würden. Und was sollten solche Männer auch mit dem Evangelium anfangen? Sie konnten weder lesen noch schreiben, und vermutlich würden sie ähnlich reagieren wie al-Mansur: Das Evangelium mochte die Lehren des Korans noch so sehr untermauern, für sie war es bestimmt schon allein deshalb Ketzerei, weil es von einem Christen stammte. Außerdem war es nur eine Abschrift. Und ihm trauten sie auch nicht mehr. Vielleicht hatte der Schreiber des Kalifen das Original damals ja tatsächlich vor den Flammen retten können …
    Hernando atmete tief durch: Seine einzige Gewissheit war, dass sich die Situation seines Volkes durch Gewalt nicht verbessern würde. In der Vergangenheit hatten ihre Aufstände nur dazu geführt, dass die Christen ihrem tiefen Hass freien Lauf gelassen hatten. Es musste eine andere Möglichkeit geben, die beiden Völker zu einem friedfertigen Zusammenleben

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