Die Pfeiler des Glaubens
1587
I n diesem Jahr ließ die englische Königin Elizabeth Tudor die Hinrichtung ihrer Widersacherin in Schottland zu, der Katholikin Maria Stuart. Darüber empört und von der Verteidigung des wahren Glaubens beseelt, beauftragte Philipp II. Don Álvaro de Bazán – den Marquis von Santa Cruz – damit, die große Flotte in Cádiz zusammenzuziehen und darauf vorzubereiten, England zu erobern und die protestantischen Ketzer zu unterwerfen. Doch der kühne englische Freibeuter Sir Francis Drake befehligte eine Blitzaktion in der Bucht von Cádiz, bei der etwa sechsunddreißig spanische Schiffe sanken oder verbrannten, und kaperte danach noch weitere Barkassen und Karavellen mit Ladungen für den spanischen König. Doch Philipp II. ließ sich dadurch nicht von seinem Vorhaben abbringen.
Die Kunde von der »großes und größtes Glück habenden« Armada, mit der König Philipp auf Wunsch Gottes die Ketzer angreifen wollte, fachte die religiöse Inbrunst bei Volk und Adel in Spanien weiter an, die immer begierig darauf waren, im Namen des Allmächtigen einen Erzfeind wie die Engländer zu besiegen – die sich zudem mit den Protestanten der Niederlande gegen Spanien verbündet hatten.
Don Alfonso de Córdoba und sein Erstgeborener – der mittlerweile zwanzigjährige Fernando – sollten sich gemeinsam mit dem Marquis von Santa Cruz für den neuen Kreuzzug einschiffen.
Doch während die Vorbereitungen für den Krieg mit England noch in vollem Gange waren, gelangten bereits neue beunruhigende Nachrichten zu ihnen. Seit der Ständeversammlung in Portugal vor sechs Jahren, bei der Philipp II. die Möglichkeit erörtert hatte, alle Morisken auf hoher See zu ertränken, waren kurz darauf gleich mehrere Berichte verfasst worden, die sämtlich die lebenslange Galeere für die verhassten Neuchristen empfahlen. In diesem Jahr meldete sich nun eine der maßgeblichen Stimmen im Königreich Valencia zu Wort: der Bischof von Segorbe, Don Martín de Salvatierra. Mit Unterstützung einiger Gleichgesinnter unterbreitete er dem Staatsrat einen Vorschlag, der seiner Ansicht nach die einzige Lösung darstellte: die Kastration aller männlichen Morisken, egal, welchen Alters.
Hernando stockte der Atem, und ein Schmerz zog ihm durch die Hoden. Er hatte soeben den Brief von Alonso del Castillo aus El Escorial zu Ende gelesen, mit dem ihn dieser über den Bericht von Bischof Salvatierra in Kenntnis setzte.
»Verdammte Hunde!«, fluchte er in die einsame Stille der herzoglichen Bibliothek hinein.
Wären die Christen tatsächlich in der Lage, eines Tages einen so fürchterlichen Plan auszuführen? Castillo hatte in dem Brief genau diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet. Vor nur fünfzehn Jahren hatte sich Philipp II., der Verteidiger des Katholizismus in Frankreich, über die Nachricht von der Bartholomäusnacht begeistert gezeigt, bei der die Katholiken in Frankreich mehr als dreißigtausend Hugenotten umgebracht hatten. Wenn König Philipp, so Castillo in seinem Schreiben, schon bei einem Konflikt unter Christen öffentlich seine Freude und Zufriedenheit über die Hinrichtung von Tausenden Menschen zeigte – die zwar keine Katholiken, aber immerhin Christen waren –, wie konnte man von ihm dann Barmherzigkeit für einen Haufen Mauren erwarten? Hatte der spanische Monarch nicht selbst überlegt, sie alle auf hoher See ersaufen zu lassen? Würde dieser katholische König Einspruch erheben, wenn sich das Volk aufmachte und alle männlichen Morisken kastrierte?
Hernando las den Brief noch einmal, eher er ihn wütend zerknüllte. Dann warf er ihn wie alle anderen Schreiben des Übersetzers ins Feuer. Das war doch Wahnsinn! Kastration! Wie konnte ein Bischof – ein hochrangiger Vertreter genau der Religion, die sich als so barmherzig und gütig darstellte – eine derartige Brutalität auch nur aussprechen? In diesen Momenten erschien ihm seine Arbeit für Luna und Castillo in jeder Hinsicht sinnlos.
Plötzlich überschlugen sich die Ereignisse! Bis Luna seinen Lobpreis auf die muslimischen Eroberer fertigstellen würde, die notwendige Druckerlaubnis erhielte und seine Schriften endlich den Christen vorlägen, hätte man sein Volk längst ausgelöscht. Hatten Abbas und seine Anhänger mit ihrem bewaffneten Aufstand etwa doch recht?
Hernando stand vom Schreibtisch auf und ging aufgewühlt in der Bibliothek auf und ab. Er fluchte unaufhörlich vor sich hin. Zu gern hätte er sich mit Cesare Arbasia besprochen, aber der italienische
Weitere Kostenlose Bücher