Die Pfeiler des Glaubens
Nachrichten, die Spanien erreichten, entsprachen nicht den Erwartungen an die Barmherzigkeit des Gottes, für den die Flotte in den Krieg zog. Die Schiffe sollten in Dünkirchen die Tercios des Herzogs von Parma an Bord nehmen und zusammen mit ihnen England überfallen. Aber als sie in Calais vor Anker gingen – nicht weit von den Truppen des Herzogs entfernt –, mussten die Spanier feststellen, dass die mit England verbündeten Niederländer die Bucht von Dünkirchen blockierten: Der Herzog konnte mit seinen Soldaten nicht zur Armada gelangen. Lord Howard, der englische Flottenadmiral, nutzte die einmalige Gelegenheit, die ihm die untätig vor Anker liegende Armada bot, und bereitete einen besonderen Angriff vor:
In der Nacht des 7. August 1588 beobachteten die Spanier, wie acht unbemannte englische Schiffe bei Flut und mit Rückenwind auf sie zusteuerten – sie brannten lichterloh. Zwar konnten die Spanier zwei der so gefürchteten und gefährlichen Brander mit langen Stangen ablenken, doch sechs weitere gelangten zwischen die spanischen Schiffe und setzten sie in Brand, bevor sie schließlich selbst Opfer der Flammen wurden. Die spanischen Kapitäne sahen sich gezwungen, die Ankerketten zu kappen und ihre Positionen aufzugeben, um in aller Eile aus dem Feuerinferno zu fliehen. Damit gaben sie ihre halbmondförmige Formation auf und waren den nun folgenden Attacken der Engländer schutzlos ausgeliefert. Es kam zu blutigen Kämpfen, bei denen die Spanier vom stürmischen Wind immer weiter Richtung Norden getrieben wurden. Der Herzog von Medina Sidonia versuchte sein Bestes, um die Armada zurück an die flandrische Küste zu bringen, doch die Wetterbedingungen ließen dies nicht zu. Indessen beobachteten die Engländer die weiteren Manöver des Feindes.
Einige Tage später ließ der spanische Admiral sämtliche Tiere über Bord gehen. Es herrschten mehr als prekäre Bedingungen: Das mitgeführte Trinkwasser war brackig, die Lebensmittel halb verdorben, die Schiffe waren schwer beschädigt, und täglich starben Mitglieder der Besatzung an Typhus oder Skorbut. Unter diesen Bedingungen musste die Armada um Schottland herumsegeln und dann an der irischen Küste entlang Kurs auf Spanien nehmen.
Am 21. September machte das Flaggschiff des Herzogs von Medina Sidonia zusammen mit acht Galeonen endlich im Hafen von Santander fest. Das Schiff wurde nur noch von drei dicken Trossen zusammengehalten, und der Admiral rang in seiner Kajüte mit dem Tod. Von den ursprünglich einhundertdreißig Schiffen der großen Armada trafen nur fünfunddreißig – und das meist als halbe Wracks – in verschiedenen spanischen Häfen ein. Einige wurden bei der Schlacht im Ärmelkanal versenkt, die meisten gingen jedoch vor Irland verloren, wo schwere Stürme wüteten, die die Schiffbrüchigen über die gesamte irische Küste verteilten. Einige Männer blieben für immer verschollen. Wenige Tage später brach ein Kurier mit der Nachricht nach Córdoba auf, dass das Schiff mit Don Alfonso und seinem Sohn an Bord bislang keinen Hafen angelaufen habe.
Nach Erhalt der Nachricht verfügte Doña Lucía, dass alle Palastbewohner – ganz gleich, ob Hidalgo, Diener oder Sklave, und somit auch Hernando – täglich an den drei Messen teilnehmen mussten, die der Hauskaplan in der Palastkapelle abhielt. Den restlichen Tag wurde die allgemeine Stille nur vom leisen Raunen gebrochen, wenn die Hidalgos gemeinsam mit der Herzogin in einem der schwach erleuchteten Säle den Rosenkranz beteten. Es galt ein striktes Fasten, jede Lektüre wurde verboten, Tanz und Musik ohnehin, und niemand wagte es, den Palast zu verlassen, es sei denn für den Kirchgang oder für eine der unzähligen Bittprozessionen, die seit der Kunde über das Unglück der Armada in jedem Winkel von Spanien veranstaltet wurden.
»Maria, mater gratiae, mater misericordiae …«
Alle knieten hinter der Herzogin und wiederholten das Rosenkranzgebet. Auch Hernando flüsterte die endlose Litanei, aber die stolzen, hochmütigen Höflinge ringsum beteten laut und mit voller Inbrunst. Er konnte die Unruhe und Sorge in ihren Gesichtern erkennen: Ihre Zukunft hing von Don Alfonso und seiner Großzügigkeit ab, und wenn der Herzog starb …
»Ich denke, Ihr müsst Euch keine allzu großen Sorgen machen, Cousine«, sagte eines Tages Don Sancho beim Essen. Auf dem Tisch standen nur Schwarzbrot und Fisch. »Wenn Euer Gemahl und sein Erstgeborener an der irischen Küste gefangen genommen wurden,
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