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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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auch noch so gering.
    Hernando war deshalb mehr als überrascht, als eines Tages nicht der Jurado vor dem Haus stand, sondern dessen Gemahlin Doña Catalina, noch dazu in Begleitung von Rafaelas jüngerem Bruder.
    »Lass uns rein!«, rief die Frau hochmütig.
    Hernando musterte sie von Kopf bis Fuß. Doña Catalina zitterte.
    »Nein. Ich bin verpflichtet, Euren Gemahl einzulassen, nicht Euch.«
    »Ich befehle dir …!«
    »Ich werde Eure Tochter benachrichtigen«, beschwichtigte Hernando sie. Er wusste, nur ein außergewöhnlicher Vorfall konnte diese Frau dazu verleiten, sich so zu erniedrigen, dass sie an seiner Tür klopfte.
    Vom Vorraum aus lauschten Hernando und Miguel dem Gespräch zwischen Rafaela und ihrer Mutter.
    »Sie werden uns aus Córdoba vertreiben«, schluchzte Doña Catalina, nachdem sie ihrer Tochter die Nachricht überbracht hatte, dass ihr Vater sich mit der Krankheit angesteckt hatte. »Was sollen wir nur machen? Wohin sollen wir gehen? Die Pest wütet auch in der Umgebung. Bitte, gib uns Zuflucht in deinem Heim. Unser Haus wird versperrt bleiben. Niemand wird davon erfahren. Dein älterer Bruder Gil wird der neue Jurado des Pfarrbezirks sein, wie es ihm zusteht. Er wird nicht verraten, dass wir uns bei dir aufhalten.«
    Hernando und Miguel sahen einander verdutzt an. Schließlich brach Rafaelas Stimme das betretene Schweigen.
    »Ihr habt uns in all den Jahren kein einziges Mal besucht, Mutter. Nicht einmal Eure Enkel hab Ihr sehen wollen. Und jetzt wollt Ihr plötzlich bei uns wohnen?« Die Frau gab keine Antwort. Rafaela sprach jedoch laut und entschieden weiter. »Ich frage mich nur, warum Ihr Gil nicht darum bittet. Ich bin davon überzeugt, dass Ihr Euch bei ihm zu Hause viel wohler fühlen werdet.«
    »Bei allen Heiligen!«, flehte die Frau. »Was soll das? Ich bin schließlich deine Mutter! Hab Mitleid!«
    »Oder habt Ihr ihn bereits darum gebeten?«, sprach Rafaela unbeirrt weiter. Doña Catalina schwieg. »Natürlich, Mutter. Jetzt verstehe ich. Ihr kommt nur zu uns, weil Ihr keine andere Wahl habt. Sagt schon, hat mein Bruder Angst vor einer Ansteckung?«
    Doña Catalina stammelte ein paar zusammenhanglose Worte.
    »Meint Ihr wirklich, dass ich die Gesundheit meiner Familie aufs Spiel setze?«
    »Deine Familie?« Die Frau auf der anderen Seite der Tür schnaubte verächtlich. »Ein Moriske …«
    »Verschwindet!«, schrie Rafaela ihre Mutter an, vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben.
    Hernando seufzte erleichtert. Miguel lächelte beruhigt. Dann erschien Rafaela: Sie ging mit erhobenem Haupt wortlos zum Patio, während von der Straße noch das Flehen und Jammern ihrer Mutter zu hören waren.
    Hernando und seine Familie überlebten die Pestepidemie. Viele Bewohner kehrten entkräftet nach Córdoba zurück, als der Rat der Stadt die Krankheit für gebannt erklärte und die dreizehn Stadttore wieder öffnen ließ. So auch Doña Catalina, diese allerdings schwer gezeichnet von ihrem Hass auf Hernando und Rafaela.
    Während die Überlebenden ihre Häuser wieder aufsperrten, packte Miguel seine Sachen und zog nach einem schnellen Abschied ohne große Worte wieder auf das Gehöft mit den Pferden.
    Mehr als sechstausend Menschen waren der Epidemie zum Opfer gefallen.

63
    Auf dem Weg nach Toga, Königreich Valencia, 1604
    D ie Reise nach Toga – ein kleiner Ort nördlich von Segorbe, in einem abgelegenen Tal hinter der Sierra del Espadán – führte Hernando zunächst nach Jarafuel. Er hatte für diese Unternehmung einen vierjährigen Fuchs ausgewählt, der seiner roten Fellfarbe alle Ehre machte: Das feurige spanische Rassepferd trabte fast nur, anstatt im Schritt zu gehen, und Hernando musste andauernd die Zügel annehmen. Das kräftige Tier hielt das stolze Haupt hoch erhoben und die Ohren aufgerichtet. Es schnaubte beim Anblick der umherschwirrenden Schmetterlinge, erschrak beim geringsten Mückenschwarm und war die ganze Strecke über äußerst angespannt.
    Als Hernando in Jarafuel auf den Alfaquí Munir traf, schien er in den neun Jahren, die seit ihrer letzten Begegnung verstrichen waren, stark gealtert. Das Leben in den Bergen von Valencia war hart, vor allem für einen Mann, der ihren Glauben lebendig halten wollte, welcher auch hier immer brutaler verfolgt wurde. Die beiden Männer umarmten einander zur Begrüßung. Bei dem einfachen Abendessen, das ihnen die Frau des Gelehrten reichte, saßen sie auf schlichten Matten am Boden und unterhielten sich über die bevorstehende

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