Die Pfeiler des Glaubens
König es macht, tun sie es eben auch. Es ist ein neues Tauschsystem. Das einzige Problem dabei sind die steigenden Preise, aber das betrifft uns weniger als die Christen. Wir sind nicht so kaufwütig wie sie, wir haben nicht so große Bedürfnisse.«
»Und so habt ihr die einhundertzwanzigtausend Dukaten zusammenbekommen?« Hernando kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
»Ja, zumindest einen Großteil«, stellte der Alfaquí mit Genugtuung fest. »Den Rest haben wir aus den Barbareskenstaaten erhalten, von unseren Glaubensbrüdern, die sich mit der Zeit dort angesiedelt haben und die mit uns die Hoffnung teilen, eines Tages das Land zurückzuerobern, das uns gehört.«
Sie hatten sich die einfache Mahlzeit munden lassen. Der Gelehrte stand auf und lud Hernando ein, mit ihm in den Nutzgarten hinter dem Haus zu gehen, der im Mondlicht einen spektakulären Blick auf das Felsplateau des Muela de Cortes bot.
»Aber«, sagte der Alfaquí, »erzähl mir von dir. Du kennst nun mein Ziel: kämpfen und siegen … oder sterben für unseren Gott. Ich weiß, dass dir das nicht gefällt.« Er lehnte sich an die Brüstung, die den Garten zum Abhang hin begrenzte. Unter ihnen lag das Tal, vor ihnen der Muela de Cortes. »Was hat sich in deinem Leben ereignet, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?«
Hernando blickte zum Himmel hinauf und atmete die kalte Winterluft ein. Dann berichtete er von den Ereignissen seit der Übergabe der ersten Bleiplatten an die Gefährten in Granada und seiner Rückkehr nach Córdoba.
»Du hast eine Christin geheiratet?«, unterbrach ihn Munir, als die Rede auf Rafaela kam.
Die Frage enthielt keinen Vorwurf.
»Munir, ich bin glücklich. Ich habe wieder eine Familie und zwei wunderbare Kinder«, antwortete Hernando. »Ich habe alles, was ich brauche. Ich kann ausreiten und die Jungtiere zureiten. Meine Pferde erzielen gute Preise. Ansonsten beschäftige ich mich mit Kalligraphie oder sitze über meinen Büchern. Ich denke sogar, dass erst der Seelenfrieden, den mir meine neue Familie gibt, es mir gestattet, Gott in dem Moment nahezukommen, in dem ich das Schreibrohr in die Tinte tauche und dann über das Papier führe. Die Buchstaben fließen wie von selbst, noch dazu mit einer Vollkommenheit, die ich zuvor nur selten erreicht habe. Derzeit arbeite ich an einer Koranabschrift, die wunderschön sein wird. Die Schriftzüge stehen in vollkommenen Proportionen zueinander, und es ist ein Genuss für mich, die Punkte farbig zu gestalten. Und ich gehe zum Beten in die Moschee. Weißt du was? Wenn ich vor dem Mihrab der Kalifen meine Gebete flüstere, erlebe ich etwas, das in gewisser Weise dem Schauspiel ähnelt, das uns diese sternenklare Nacht bietet. Wie bei den Sternen hier sehe ich dort das Gold und den Marmor glänzen, mit dem dieser heilige Ort errichtet wurde. Ja, ich habe eine Christin geheiratet. Meine Ehefrau … Rafaela ist eine liebevolle, gute und zurückhaltende Frau, und sie ist eine großartige Mutter.«
Bei diesen Worten blickte Hernando zum Sternenhimmel empor. Er hatte Rafaela vor Augen. Aus dem schmächtigen, scheuen Mädchen war eine schöne Frau geworden: Mit den Geburten ihrer Kinder waren ihre Brüste üppiger und ihre Hüften breiter geworden. Munir ahnte, was in Hernando vorging. Er wollte ihn in seinen Gedanken an die Frau, die offenbar sein Herz gewonnen hatte, nicht stören.
»Außerdem sind da noch unsere Kinder«, fügte Hernando hinzu und lächelte. »Sie sind mein Ein und Alles, Munir. Ich hatte vierzehn Jahre lang kein Kinderlachen mehr gehört oder die Berührung einer kleinen Hand gespürt, die Schutz sucht. Ich habe diese aufrichtigen Augen vermisst und diese Momente, wenn sie sich nicht trauen oder nicht wissen, wie sie etwas sagen sollen. Allein ihr Mienenspiel ist reine Poesie.«
Hernando hing einen Moment seinen Gedanken nach.
»Unser Leid war groß, als unser drittes Kind starb. Der Junge hatte noch nicht einmal laufen gelernt. Ich habe ja bereits zwei Kinder verloren, aber bei diesem Jungen musste ich mit ansehen, wie er vor meinen Augen sein Leben aushauchte, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen hätte können. Ich spürte eine unendliche Leere in mir: Warum nahm Gott dieses unschuldige Wesen von dieser Welt? Warum bestrafte er mich schon wieder so hart? Für mich war es nicht das erste Kind, das mir grausam entrissen wurde, aber für Rafaela … Sie war am Boden zerstört, und ich musste meine letzten Kräfte aufbringen, um ihr über diese
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