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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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unterhalten sollen? Hernando hatte selbst angeordnet, dass die Pferde aus Córdoba zum Bauernhof geschickt wurden, weil er sie hier nicht mehr füttern konnte.
    Sie versuchten, wenigstens die Möbel und Hernandos Bücher billig zu verkaufen. Die Stadt Córdoba war inzwischen ein riesiger Suk: Tausende Moriskenfamilien verhökerten ihr Hab und Gut auf den Straßen, Altchristen fanden Vergnügen daran, bei dem Geschacher den niedrigsten Preis auszuhandeln und sich über die Männer und Frauen lustig zu machen, die mit unterdrücktem Groll hofften, dass irgendjemand in der Menschenmenge ein Möbelstück erstand, das sie selbst vor Jahren mit so viel Hoffnung teuer erworben hatten – oder die Betten, in denen sie von einem besseren Leben geträumt hatten. Kunsthandwerker, Händler, Schuster, Bäcker – sie alle flehten ihre christlichen Konkurrenten an, ihnen ihre Werkzeuge und Maschinen abzukaufen. Doch kein Christ schenkte den Büchern und Möbeln Beachtung, die Hernando vor sein Haus gestellt hatte und die Rafaela mit den Kindern bewachte, damit man sie ihnen zumindest nicht stahl.
    Eines Nachts suchte Hernando in seiner Verzweiflung nach Pablo Coca. Vielleicht könnte er mit Kartenspielen ja etwas Geld verdienen. Aber der Spelunkenbesitzer war inzwischen verstorben.
    Da ging Miguel, obwohl er keine Genehmigung dafür hatte, auf die Straße und bettelte um milde Gaben. Die Soldaten, die das Haus und seine Umgebung bewachten, verlachten und verspotteten ihn, wenn er Abend für Abend auf seinen Krücken nach Hause hüpfte, mit einem Bund verfaultem Gemüse als Ausbeute.
    Tagsüber versuchte Hernando, eine Audienz beim Bischof, beim Dekan oder bei irgendeinem der Domherren von Córdoba zu erhalten. Der Bischof könnte ihn retten, wenn er seine Zugehörigkeit zur Christengemeinde bestätigte. Er hatte doch jahrelang für das Domkapitel gearbeitet!
    Tag für Tag stand er im Patio des Palastes und drängte sich zwischen all den anderen Morisken, die dort in der gleichen Absicht ausharrten. Doch Tag für Tag wurden sie von den Pförtnern abgewiesen.
    Hernando wusste, dass kein Geistlicher ihnen die geringste Beachtung schenken würde. Wenn die Würdenträger im Patio an ihnen vorbeizogen, sahen nur wenige sie an, die meisten wichen ihnen hastig aus. Aber was blieb ihm anderes übrig, als wenigstens auf die Barmherzigkeit zu hoffen, die die Christen immer predigten! Er wusste nicht mehr weiter. Es gab keinen Ausweg! Stattdessen häuften sich die Gerüchte über die bevorstehende Vertreibung der Morisken aus Andalusien, und wenn Hernando nicht bald eine Bestätigung der Kirche vorweisen konnte, würde er gemeinsam mit Amin und Laila Spanien verlassen müssen.
    Was sollte nur aus seiner Familie werden? Das fragte er sich jeden Abend, wenn er niedergeschmettert nach Hause kam und dieselben Möbel und Bücher ins Haus zurückschleppte, die er am Morgen mit Rafaela auf die Straße getragen hatte.
    Die Kinder sehnten seine Rückkehr herbei, als könnte allein seine Anwesenheit all die Sorgen vertreiben, die sie während des öden, langen Tages ohne jeden Verkaufserfolg durchlitten hatten. Und Hernando sah sich gezwungen zu lächeln und Zuversicht zu verbreiten. Dabei musste er ununterbrochen seinen Drang zu weinen unterdrücken. Die Älteren mussten es längst ahnen! Ihnen konnte die Anspannung, die die gesamte Stadt erfasst hatte, nicht entgangen sein, aber sie waren womöglich noch nicht imstande, sich die Folgen der Vertreibung für ihre eigene Familie auszumalen. Dann warteten sie gemeinsam auf die Speisereste, die ihnen Miguel mitbrachte, und erst wenn die Kinder eingeschlafen waren und Miguel sich auf eigenen Wunsch diskret zurückgezogen hatte, konnten Hernando und Rafaela in Ruhe miteinander reden, ohne allerdings ihre tatsächliche Situation in aller Offenheit anzusprechen.
    »Morgen werde ich es schaffen«, seufzte Hernando.
    »Bestimmt«, bekräftigte Rafaela ihn und nahm seine Hand.
    Früh am Morgen schleppten sie die Möbel und Bücher wieder auf die Straße. Die Kinder drängelten sich um ihre Mutter und winkten den beiden Männern zum Abschied hinterher: Miguel ging zum Betteln und Hernando zum Bischofspalast.
    »Bei den Nägeln des Kreuzes Christi, so helft mir doch!«
    Hernando löste sich aus der Gruppe der wartenden Morisken und kniete im Patio vor dem Dekan der Kathedrale. Der Domherr blieb stehen und blickte ihn von oben herab an. Er erkannte Hernando, dessen Probleme mit dem Rat der Stadt ihm längst bekannt

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