Die Pfeiler des Glaubens
auf dem Arm aus ihrer Behausung kommen sah. Er beobachtete, wie sie ernst in den klaren Winterhimmel und dann Richtung Lager sah. Was sollte er ihr sagen? Sollte er ihr gestehen, dass er alles verloren hatte? Dass ihn mehrere Tänzerinnen verführt hatten und er in den Armen einer enthaarten Matrone aufgewacht war? Mit dem zerkratzten Gesicht und den Flecken am Hals konnte er sich wohl kaum bei ihr blicken lassen. Vielleicht … Er könnte sie ja anlügen und behaupten, der König habe ihn genötigt, die ganze Nacht in seinem Zelt zu verbringen. Ja, aber wenn … Was war, wenn sie sich ihm hingeben wollte, so wie sie es ihm versprochen hatte? Sie durfte keineswegs sein geschundenes Glied zu sehen bekommen. Er hatte bislang nicht einmal gewagt, die Wunden genauer zu untersuchen, die ihm weiterhin stark zusetzten. Wie sollte er ihr das alles nur erklären? Hernando sah, wie sie Humam zärtlich umarmte, als suchte sie bei dem Kind Halt, und wie sie es wiegte, sanft und wehmütig den kleinen Kopf küsste und schließlich wieder in der Hütte verschwand.
Er hatte sie enttäuscht! Er fühlte sich unendlich schuldig und beschämt und suchte das Weite. Er lief ziellos durch das Lager, aber als er an dem Zelt von Aben Humeya vorbeikam, hielt ihn der Wachposten an.
»Der König will dich sprechen.«
Hernando betrat das Zelt.
»Das Heer …«, stammelte Hernando und zeigte in Richtung Feldlager. »Die Männer …« Aben Humeya ging schweigend auf Hernando zu und begutachtete die Flecken an seinem Hals. »Die Männer sind geflohen!«
»Ich weiß«, antwortete der König ernst, konnte sich jedoch den Anflug eines Grinsens angesichts Hernandos Zustands nicht verkneifen. »Und ich kann es ihnen nicht einmal verübeln.« In dem Moment kam ein großer, kräftiger Monfí ins Zelt. »Wir haben keine Waffen, und wir verlieren überall an Boden. So wie Paterna haben sich auch viele andere Dörfer dem Marquis von Mondéjar ergeben, denn er zeigt sich großzügig und lässt Gnade walten. Deshalb flüchten die Männer, und aus diesem Grund habe ich dich rufen lassen.« Hernando war überrascht, aber Aben Humeya lächelte ihm aufmunternd zu. »Die Männer kommen wieder, Ibn Hamid. Ich bin mir sicher. Vor zwei Monaten, kurz nach meiner Krönung, habe ich meinen jüngeren Bruder Abdallah zum Bey von Algier geschickt und ihn um Hilfe gebeten. Doch bislang habe ich noch nichts von ihm gehört. Dann konnte ich ihm nur noch ein Schreiben zukommen lassen … Aber was sind schon Worte!«, schnaubte der König und ballte die Faust. »Jetzt haben wir reiche Beute gemacht, und damit können wir uns seine Gunst kaufen. Ja, meine Männer flüchten, und die versprochene Hilfe ist noch nicht eingetroffen. Deshalb wirst du jetzt sofort mit dem Gold nach Adra reisen. Und al-Hashum wird dich begleiten.« Aben Humeya zeigte auf den Mann, der ins Zelt gekommen war. »Er wird von dort aus zusammen mit dem Gold zu unseren Glaubensbrüdern in den Barbareskenstaaten aufbrechen. Dann kommst du wieder zurück und erstattest mir Bericht. Der Weg dorthin ist zwar gefährlich, aber ihr müsst um jeden Preis an die Küste kommen und eine leichte, wendige Fuste für die Überfahrt finden. Mit dem Gold, das ihr bei euch führt, und mit der Hilfe unserer Glaubensbrüder vor Ort werdet ihr in Adra mühelos ein kleines Schiff und alles beschaffen können, was ihr für die Überfahrt braucht. Ist alles bereit?«, fragte er den Monfí.
»Das Maultier ist schon beladen«, antwortete al-Hashum.
»Der Prophet möge mit euch sein und euch geleiten«, wünschte ihnen der König zum Abschied.
Hernando folgte al-Hashum. Sie sollten nach Adra aufbrechen! Der Weg bis an die Küste war weit. Was würde Fatima wohl dazu sagen? Sie hatte so traurig ausgesehen … Aber Befehl ist Befehl. Jetzt sofort, hatte der König angeordnet, also konnte er sich nicht einmal verabschieden. Und was war mit seiner Mutter? Die beiden Männer umrundeten das Zelt, auf der Rückseite erwartete sie Ibrahim mit einem der Maultiere. Sein Stiefvater musterte ihn von oben bis unten und verdrehte angesichts der Flecken an Hals und Gesicht abschätzig die Augen.
»Wo sind die Geschenke des Königs?«, sagte der Maultiertreiber.
Hernando zitterte wie so oft, wenn er mit Ibrahim zu tun hatte.
»Die brauche ich nicht für die Reise«, erwiderte er und gab vor, das Zaumzeug der Maultiere zu überprüfen. »Ich verabschiede mich noch von meiner Mutter.«
»Nein, wir müssen sofort aufbrechen«, wandte
Weitere Kostenlose Bücher