Die Pfeiler des Glaubens
Ohánez. Als er in das Dorf kam, fand er auf der obersten Stufe der Kirchentreppe die Köpfe von zwanzig christlichen Jungfrauen ordentlich nebeneinander aufgereiht. Es heißt, dass man die Racheschwüre noch auf den höchsten Gipfeln der Sierra hören konnte.«
Die drei Männer, die auf dem Fußboden saßen, und Zahirs Frau, die etwas abseits stand, schwiegen eine geraume Weile.
»Du musst das Gold unbedingt zu den Barbaresken bringen!«, sagte Hernando ernst.
Hernando erfuhr, dass sich Aben Humeya derzeit in Mecina Bombarón aufhielt, einem Dorf an den südlichen Ausläufern der Alpujarras. Der König war zunächst heimlich von der Passhöhe nach Válor zurückgekehrt – zu seinem Volk und seinem Lehen. Er hatte dort Zerstreuung und Komfort gesucht, und wurde dann zu einer muslimischen Hochzeit im nahe gelegenen Mecina Bombarón eingeladen. Mecina war einer der vielen Orte, die sich dem Marquis ergeben hatten, da jedoch alle Christen geflohen waren, herrschte dort vorübergehend Ruhe. Aben Humeya, der selbst unter den widrigsten Umständen keine Feier ausließ, wollte sich diese Hochzeit nicht entgehen lassen.
Hernando war von Adra aus mit dem Maultier in Richtung Mecina aufgebrochen, um dem König Bericht zu erstatten. Nachdem die kleine Fuste, die Zahir für sie besorgt hatte, auf dem nachtdunklen Meer verschunden war – ohne christliche Verfolger und heimtückische Löcher, die sie zum Kentern bringen könnte –, hatte Hernando gemeinsam mit dem alten Mann und einigen Fischern noch am Strand gebetet. Sie hatten Gott um ein glückliches Ende für al-Hashums Mission gebeten. Schließlich hatte Hernando sich entgegen Zahirs Warnungen noch in derselben Nacht auf den Weg gemacht. Er hatte es eilig: Er wollte Fatima so schnell wie möglich wiedersehen.
Weder Hernando noch al-Hashum oder Aben Humeya konnten zu diesem Zeitpunkt jedoch ahnen, dass sowohl Ulugh Ali – der Beylerbey von Algier – als auch der Sultan des Osmanischen Reichs eigene Pläne hatten. Sobald die ersten Nachrichten vom Moriskenaufstand Algier erreicht hatten, rief der Beylerbey sein Volk auf, den Glaubensbrüdern in al-Andalus zu Hilfe zu eilen. Seinem Aufruf folgten aber gleich so viele kriegsbereite Männer, dass der Beylerbey entschied, sie lieber für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Schon lange wollte er Tunis erobern, das sich in den Händen von Mulay Hamida befand. Da er seine Glaubensbrüder auf der anderen Seite der Meerenge aber nicht vollkommen im Stich lassen wollte, verfügte er einen Erlass, der allen Freiwilligen die Fahrt nach Spanien gestattete und zugleich allen Verbrechern Straffreiheit zusicherte, die sich für den Krieg in al-Andalus anwerben ließen. Zudem ließ er in einer Moschee Waffen sammeln, die er seinen spanischen Brüdern für ihre Revolte schenken wollte – und das waren viele. Aber am Ende verkaufte der Beylerbey ihnen die Waffen lieber. Ähnlich war es mit dem Sultan in Konstantinopel: Der Moriskenaufstand bedeutete für den König von Spanien eine weitere Kriegsfront, und dem Sultan erschien der Zeitpunkt für die Eroberung Zyperns mehr als günstig. Nachdem er seinem Beylerbey in Algier befohlen hatte, als Zeichen des guten Willens zweihundert türkische Janitscharen nach al-Andalus zu schicken, bereitete er sich auf dieses vielversprechende Unternehmen vor.
Hernando konnte schon von Weitem die Klänge der Lauten und Schalmeien hören, als er sich Mecina Bombarón näherte. Wie in den meisten Dörfern der Alpujarras standen auch dort die kleinen weißen Häuser dicht gedrängt beieinander. Aber es gab auch das ein oder andere weitläufige Anwesen, wie das von Aben Aboo, einem Cousin von Aben Humeya, in dem der Moriskenkönig Zuflucht gefunden hatte. Es war schon dunkel, als Hernando das Dorf betrat. Das Hochzeitsfest war bereits in vollem Gange, doch er konnte nur noch an Fatima denken, die er bald wiedersehen würde und die sich vermutlich noch im Feldlager auf der Passhöhe aufhielt. Aber was sollte er ihr sagen? Wie konnte er sich nur bei ihr entschuldigen?
Genau in dem Augenblick wurde die junge Braut von ihren Verwandten zum Haus des Bräutigams getragen. Sie war in ein hemdartiges, langes Gewand gehüllt, und ihr Körper war mit traditioneller Henna-Bemalung verziert. Mit geschlossenen Augen achtete sie darauf, dass ihre Füße den Boden nicht berührten. Die sie begle itenden Frauen stießen Freudenschreie aus. Niemand in ganz Mecina konnte nunmehr leugnen, diese Verbindung sei nicht
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