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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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»Finger weg!«
    Als sie die Stadt schließlich hinter sich gelassen hatten, versteckten sie sich hinter einer niedrigen Mauer in der Nähe eines Olivenhains.
    »Los, lauf!«, flüsterte er ihr zu, als er den Knoten gelöst hatte.
    Das Mädchen zitterte ebenso wie Hernando. Ließ er tatsächlich gerade die Sklavin frei, die ihm Aben Humeya überlassen hatte, um mit ihrem Erlös die Pferde des Königs versorgen zu können?
    »Geh endlich!«, drängte er das Mädchen, aus dessen Augen die nackte Angst sprach. »Geh schon!«
    Er schob sie von sich, doch Isabel kauerte sich nur noch dichter an die Steinmauer. Da stand er auf.
    »Wohin gehst du?«, fragte Isabel mit dünner Stimme.
    »Also …« Hernando betrachtete die Stadt und das Bergpanorama im Hintergrund. Hier und da brannten die Lagerfeuer der Soldaten und der geflohenen Morisken, die in Ugíjar keine Aufnahme mehr gefunden hatten: Sie alle gehörten zum großen Heer von Aben Humeya. »Ich weiß es nicht! Ich habe schon genug Probleme!«, klagte er. »Ich sollte dich verkaufen und mit dem Geld Futter für die Pferde des Königs kaufen.«
    Sie gab keine Antwort, sondern sah ihn nur verzweifelt an. Hernando ging in die Hocke und gab Isabel ein Zeichen, still zu sein, als er einige Männer kommen sah. Sie warteten, bis sie vorübergingen. Was sollte er nur tun? Was würde aus ihm, wenn der König hiervon erfuhr?
    »Jetzt geh endlich! Verschwinde!«, entfuhr es ihm, als die Stimmen hinter der Mauer verstummt waren. Wie hätte er Gonzalicos Schwester auf dem Sklavenmarkt verkaufen können? Hernando konnte sich noch gut daran erinnern, wie der Junge in der Nacht vor seinem Tod ruhig an seiner Seite geschlafen und seine Hand gehalten hatte. »Jetzt hau endlich ab!«
    Hernando stand auf und ging wieder Richtung Ugíjar. Eigentlich wollte er sich nicht umsehen, aber nach ein paar Schritten überkam ihn ein eigenartiges Gefühl … Tatsächlich, sie folgte ihm! Die zerlumpte, barfüßige Isabel trottete weinend hinter ihm her, ihr zerzaustes helles Haar glänzte in der Mittagssonne. Hernando sah sie wütend an und zeigte in die entgegengesetzte Richtung, aber Isabel blieb einfach nur stehen.
    Hernando ging zu ihr zurück.
    »Dann bringe ich dich eben auf den Markt!«, knurrte er und führte sie vom Weg zurück an die Mauer. »Wenn du mir noch einmal nachläufst, verkaufe ich dich. Du hast es ja selbst gesehen: Alle wollen dich!«
    Isabel weinte. Hernando wartete, dass sie damit aufhörte, aber sie beruhigte sich nicht.
    »Du musst fliehen«, schlug er vor. »Du wartest am besten die Dunkelheit ab.«
    »Und dann?«, unterbrach ihn Isabel schluchzend. »Wohin soll ich dann gehen?«
    Ja, die Alpujarras waren fest in der Hand der Muslime. Es gab weit und breit keine Christen. Was würde aus ihr, wenn seine Glaubensbrüder sie gefangen nahmen? Dann würde auch bekannt, dass er sie freigelassen hatte. Erst jetzt wurde ihm die Tragweite seiner Tat bewusst. Er rang nach Luft.
    Schließlich nahm er sie mit zu Salahs Haus. Sie gingen um die Stadt herum, um sich nicht noch einmal dem Markttreiben aussetzen zu müssen. Für den Fall, dass ihnen jemand begegnete, hatte er Isabel wieder gefesselt und zog sie am Strick hinter sich her. Sollte er sie vielleicht als Muslimin ausgeben? Aber mit dieser auffälligen Haarfarbe konnten sich alle in Ugíjar an sie erinnern.
    Endlich gelangten sie zur Mauer des Grundstücks.
    »Versteck dich!«, sagte er zu Isabel, bevor er sie losband. Das Mädchen sah sich um. »Leg dich in die Felder, da hast du ein wenig Deckung. Mach, was du willst, aber duck dich endlich. Wenn sie dich finden … Du weißt ja, was dann mit dir geschieht … Und mit mir«, fügte er leiser hinzu. »Ich komme wieder. Ich weiß nur noch nicht, wann. Und ich weiß auch nicht, was wir dann machen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ich komme wieder. Keine Angst.«
    Er ging mit ernster Miene zum Haupteingang des Hauses, ohne sich noch einmal zu Isabel umzudrehen. Er brauchte immer noch Gerste und Heu! Warum hatte er sich ausgerechnet für Isabel entschieden und nicht für eines der anderen Mädchen? Zum Beispiel für das Mädchen, das Isabel nach vorn gestoßen hatte? Vielleicht hätte er diese Verräterin ohne Gewissensbisse auf den Markt gebracht.
    Seit jeher konnten die Korsaren aus den Barbareskenstaaten bei ihren Raubzügen vor der spanischen Mittelmeerküste mit der Hilfe der dort lebenden Morisken rechnen. Viele Korsaren, vor allem die Männer aus Tetuan und Algier, waren

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