Die Pfeiler des Glaubens
sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann steuerte er auf die Bastion im Südteil der Festung zu – einer der wenigen noch erhaltenen Gebäudeteile.
Hernando sah zum Himmel und versuchte die Richtung nach Mekka zu bestimmen, dann nahm er Sand vom Boden auf und wusch sich damit. Sein Blick war inzwischen ein anderer, seit er damals Hamids Krummsäbel zum ersten Mal betrachtet hatte. Der kindliche Glanz in seinen großen blauen Augen war verschwunden und einem trüben Blick aus Kummer und Schmerz gewichen.
»Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist der Gesandte Gottes.«
Hernando sprach leise.
»Hamid, ich lebe noch«, flüsterte er und lauschte in die Stille. »Ich lebe noch!«, rief er plötzlich. Sein Ruf wurde von den steilen Abhängen und felsigen Schluchten hart zurückgeworfen. Nach einer Weile holte er tief Luft und brüllte: »Allahu akbar!« Doch die verschneiten Gipfel gaben ihm keine Antwort. »Ich habe versprochen, dass diese Waffe keinem Christen in die Hände fällt«, flüsterte er. Dann hüllte er den Säbel des Propheten in einige Stoffe und vergrub ihn mithilfe des Grabstichels etwas unterhalb der Bastion. Schließlich betete er noch einmal, und plötzlich hatte er das Gefühl, als stünde der alte Hamid an seiner Seite, wie damals in Juviles. Dann bearbeitete er seine Fußfesseln mit einem Stein und dem Grabstichel so lange, bis sie aufsprangen und seine wund geschürften Knöchel freigaben.
Die Sonne hatte den Zenit längst überschritten, als Hernando und die anderen beim Feldlager des Don Juan vor Padul ankamen. Sie hatten ihr vorläufiges Ziel in der Vega von Granada endlich erreicht. Die Frauen hatten ihre Kopfbedeckungen und Schleier abgelegt und die verbotenen Schmuckstücke zwischen ihren Gewändern verborgen. In der weitläufigen Ebene wurden die Moriskenscharen von einigen Kompanien in Empfang genommen.
»Legt eure Waffen nieder«, riefen die Soldaten den Morisken zu und zwangen sie, sich in mehreren Reihen aufzustellen. »Wer zu einer Waffe greift, ist auf der Stelle tot!«
Am Anfang jeder Warteschlange saßen mitten im Feld die Schreiber an ihren Tischen. Sie registrierten Namen und Herkunft der Morisken sowie Anzahl und Art der Waffen, die sie abgaben. Die Beamten arbeiteten so gemächlich und lustlos, dass die Warteschlangen kaum kürzer wurden. Geistliche liefen zwischen den wartenden Morisken umher und nötigten sie, mit ihnen zu beten, sich zu bekreuzigen oder vor den mitgeführten Kruzifixen zu knien. Aus den Reihen klang ein gelangweiltes und unverständliches Murmeln, wie früher in den Kirchen der Alpujarras, wenn die Morisken den Aufforderungen der Pfarrer folgten.
»Was hast du da?« Ein Fußsoldat mit einem roten Andreaskreuz auf der Uniform zeigte auf den Sack, den Hernando in seiner rechten Hand hielt.
»Das ist keine …«, setzte Hernando an. Er griff langsam in den Beutel.
»Santiago!«, rief der Soldat und zückte sein Schwert.
Auf seinen Kriegsruf hin kamen sofort einige Soldaten angerannt. Die wartenden Morisken rückten von Hernando, Aischa und Musa ab, die bald von bewaffneten Männern umzingelt waren.
»Ich habe keine Waffe versteckt«, versuchte er die Soldaten zu beruhigen. Gemächlich holte er den Kopf des Korsarenkapitäns hervor. »Das ist alles, was vom großen Barrax noch übrig ist!«, rief er triumphierend und hielt den Kopf in die Höhe. »Das ist das Haupt des Korsarenanführers!«
Ein Raunen ging durch die Menge. Ein altgedienter Soldat befahl einem Rekruten, nach einem Unteroffizier oder dem Feldwebel zu suchen. Inzwischen drängten sich die übrigen Soldaten und Geistlichen neugierig um den jungen Mann und seine Angehörigen. Alle wussten, wer Barrax war.
»Wie heißt du?«, fragte ihn der Unteroffizier, der sich durch die Menschenmenge schob und sich am Anblick des Korsarenhauptes ergötzte.
»Hernando Ruiz!«, rief eine Stimme in der Menschenmenge, noch ehe der junge Mann selbst antworten konnte.
Hernando drehte sich überrascht um. Diese Stimme … Ja, es war Andrés, der Sakristan aus Juviles!
Der Sakristan kam in Begleitung von zwei Geistlichen auf sie zu. Ohne weitere Umschweife verpasste er Aischa eine heftige Ohrfeige. Hernando ließ das Haupt fallen und wollte sich zwischen den aufgebrachten Andrés und seine Mutter stellen, wurde aber von Soldaten daran gehindert.
»Was sollte das?«, fragte der Unteroffizier verwundert.
»Diese Moriskin hat Don Martín umgebracht, den Pfarrer von Juviles«, rief
Weitere Kostenlose Bücher