Die Pferde vom Friesenhof 02 - Wilde Jagd am Meer
Klara zur Seite und begutachtete den Griff. Plötzlich rief sie aufgeregt: »Hier, sieh mal!« Sie fuhr mit dem Zeigefinger die leichten Kratzspuren im Holz nach. »Da hat jemand herumgestochert. Meine Güte, doch ein Einbrecher! Jede Wette, er hat Charlottes Namen in deinem Ordner gesucht. Jetzt gehts los!«
Klara war leichenblass geworden. Lea blieb cool. Im Ge-
Mädchen wuselten herum, putzen Pferde und gaben sich gegenseitig Ratschläge. Der wunderbare Reitstallgeruch von Leder und Heu hing in der Luft. Aus der Sattelkammer schleppten die Mädchen Sättel und Zaumzeug herbei. Wie jeden Morgen verhedderte sich Vanessa im Zügel, der über den Boden schleifte. Sie schlug lang hin, trotzdem verging ihr das Lachen nicht. Kichernd trenste sie ihr Shetty Rambo auf.
Katharina durfte zum ersten Mal den neuen Friesenwallach Willem reiten. Sie putzte nervös, als würde sie das erste Mal vor einem Pferd stehen. Ihre Hände zitterten, ein paarmal fiel der Striegel hinunter. Ein Friese mit hoch aufgerichtetem Kopf flößt eben Respekt ein. Dabei verrät ein Blick in die sanften Augen, dass Friesen absolut freundliche Pferde sind. Aber Katharina hatte bisher nur Ponys geritten, darum stand sie ehrfürchtig vor dem schwarzen Riesen.
»Ich bin so aufgeregt«, jammerte sie und hob den Sattel hoch, der vor der Box bereit lag, »als wäre ich noch nie geritten.« Sie spähte über die Stallgasse nach Unterstützung und entdeckte Lea mit Charlotte in Magics Box. »Hilfst du mir, Lea?«
»Sekunde«, gab Lea zurück, »ich komme gleich rüber.« Sie bückte sich nach Magics Sattelgurt und schob ihn Charlotte zu.
Charlotte nahm das Ende des Gurts entgegen und ver- schnallte ihn. »Bringst du Magic nachher auf den Reitplatz?«, fragte sie Lea. »Ich sause noch schnell aufs Zimmer. Hab meine Reitkappe vergessen.« Lea nickte und ging zu Katharina in die hintere Box.
Durch die Stalltür spazierte eine Mutter mit ihrer Tochter herein. Lea bekam mit, dass die Mutter Klara nach Ferienkursen fragte. Klara verließ mit den beiden den Stall, denn die Reiterhof-Prospekte lagen im Haus.
In der nächsten halben Stunde erschienen noch ein Dutzend Besucher, als hätten sich alle verabredet. Ganze Familien kamen, Freundinnen, einzelne Mütter und einzelne Väter.
Vanessa Fing jeden Besucher ab, wenn es ging. Dass die Shettybox gleich am Eingang lag, kam ihr wie ein Geschenk vor. Sie liebte es, Auskünfte zu geben. Fast jeden Besucher hatte Vanessa heute Morgen angesprochen. Sie begrüßte auch den jungen Mann, der jetzt in der Tür stand. Er war etwa fünfundzwanzig Jahre und angezogen wie ein Skater - er trug eine schwarze Wollmütze, die bis auf die Sonnenbrille heruntergezogen war, und ein kariertes Hemd über einer weiten Hose.
»Wo melde ich mich hier zum Reiten an?«, fragte der Mann Vanessa und sah sich im Stall um.
Vanessa lehnte sich wichtig über Rambos Boxentür. »Hier können keine Erwachsenen reiten, nur Kinder und Jugendliche.«
Einen Moment lang schien er nicht weiterzuwissen. »Dann melde ich ... auch meine Tochter an, genau.« »Wieso auch? Was denn nun? Wollen Sie reiten oder Ihre Tochter?« Vanessa sah ihn streng an.
»Nein, nein, schon meine Tochter.«
»Wie alt ist sie?«
»Die? Oh - so alt wie du.«
Vanessa musterte ihn argwöhnisch. Komischer Kauz, dachte sie neugierig, dieser junge Typ hatte bestimmt keine so große Tochter. Überhaupt benahm er sich auffällig. Vanessa entging nicht, dass er sich ständig umsah, als hielte er nach irgendetwas Ausschau.
»Suchen Sie jemand?«, fragte sie direkt.
»Nein, nein«, sagte er eilig und rückte seine Sonnenbrille zurecht.
Wenn man nichts sucht, dachte Vanessa, dann lässt man doch nicht unruhig die Blicke schweifen. Man linst auch nicht verstohlen in die Gesichter der Reiterinnen - so als fürchtete man aufzufallen.
»Pferde zum Reitplatz!«, rief Lea von hinten.
Vanessa stieß die Boxentür auf und führte Rambo auf die Stallgasse.
Sonst konnte sie die Reitstunde nicht abwarten. Aber heute bedauerte Vanessa heftig, dass es losging - bevor sie mehr über den Fremden erfuhr, der an der Shettybox lehnte. Über die Schulter sah sie, dass Lea mit Magic über die Stallgasse kam.
Lea hatte keine Augen für den Mann mit der Sonnenbrille. Er war halt einer von vielen Besuchern. Als sie neben ihm war, musste sie sich umdrehen, weil Katharina ihr etwas nachrief. Magic legte die Ohren an und schnaubte mit erhobenem Kopf.
»Schon gut, Magic«, sagte Lea abwesend und
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