Die Pferde vom Friesenhof 02 - Wilde Jagd am Meer
zusammengehalten hatte, um Charlotte Lech zu beschützen.
Während auf dem Friesenhof der unterkühlte Reitunterricht lief, standen Lea und Charlotte im Optikerladen von Gesche Gleichstein in der Fußgängerzone. Die Eichhorns waren Stammkunden im einzigen Brillengeschäft von Westerbüll. Lea und Meike Eichhorn verloren regelmäßig ihre Sonnenbrillen und brauchten neue. Markus Eichhorn war ein Freund von Kompassen, die es hier in jeder Größe gab. Fast jeden Sonntag radelte Gesche Gleichstein zum Friesenhof und brachte den Pferden Möhren mit.
Gesche Gleichstein begrüßte Lea mit Handschlag und breitete vor den Mädchen Prospekte und Muster von farbigen Kontaktlinsen aus. Lea griff spontan zu den dunkelblauen.
»Für wen sollen die denn sein?«, fragte die Optikerin lächelnd.
»Für meine Freundin«, sagte Lea und hielt die strahlend blauen Kunststofflinsen gegen das Licht.
Gesche Gleichstein musterte Charlotte. »Du kommst mir unglaublich bekannt vor ...« »Das kann nicht sein«, sagte Charlotte eilig. »Ich wohne in München.«
»In München, da lebt doch diese Schauspielerin, wie heißt sie gleich...«
»Meine Mutter hat einen Kiosk«, sagte Charlotte, »und sie heißt Semmelhuber.«
»Ach so. Na schön.«
Die Optikerin drehte sich um und zog an der gläsernen Rückwand einige Schubladen auf.
»Siehst du«, flüsterte Lea, »deine grünen Augen verraten dich, genau wie Jette gesagt hat.«
Charlotte testete haselnussbraune, veilchenblaue und mausgraue Linsen. Die Optikerin hatte eine Auswahl zum Probieren da. Sie wunderte sich, wie geschickt Charlotte die winzigen Dinger mit der Fingerkuppe einsetzte, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Woher sollte sie wissen, dass Charlotte das zu Hause oft geübt hatte? Ihr Mutter besaß einen ganzen Vorrat an grünen Linsen, die sie beim Filmen trug, um ihre Augenfarbe zu verstärken.
Am deutlichsten veränderte sich Charlotte mit blauen Kontaktlinsen. Das traf sich gut, denn Lisa und Katharina, die beiden mit den kurz geschnittenen Haaren, hatten ebenfalls blaue Augen. Charlotte entschied sich für das dunkle Blau.
Gesche Gleichstein packte die folienverschweißten Linsen in eine Schachtel und legte ein Fläschchen Reinigungsflüssigkeit dazu.
»Mitgeben kann ich sie euch leider nicht sofort.« Bedauernd hob sie die Schultern. »Linsen darf ich nur an Erwachsene verkaufen. Bring doch morgen deine Mutter mit, Lea.«
»Was?«, schrie Lea auf. »Das geht nicht. Wir brauchen sie sofort. Können Sie denn keine Ausnahme machen? Wir haben eine Überraschung vor.«
Blitzschnell dachte sich Lea eine Geschichte aus - von einer Theateraufführung im Stall, von einem armen, kranken Reitermädchen und von ihrer völlig überarbeiteten Mutter, die unmöglich in dieser Woche aus dem Haus konnte.
»Stimmt das auch?«, seufzte Gesche Gleichstein.
Letzten Endes reichte sie den Mädchen die ersehnten blauen Linsen über den Ladentisch. Charlotte zahlte rasch und machte, dass sie hinter Lea aus der Tür kam. »Ich bin nicht gerade ein Wahrheitsfan«, stöhnte Lea, als sie in der Fußgängerzone standen. »Aber diese ewigen Notlügen gehen sogar mir auf den Geist.«
Strandkorb-Alarm
Charlottes blaue Augen waren ein Knaller! Tatsächlich musste man nun mehrmals hinsehen, um die drei Mädchen mit schwarzen Stehmähnen und blauen Augen voneinander zu unterscheiden. Um das Verwirrspiel für Fremde komplett zu machen, zogen Charlotte, Lisa und Katharina ab sofort einheitliche Reitsachen an.
Mit blauen Westen und weißen T-Shirts gingen sie zum Reitunterricht, in die Fußgängerzone, an den Strand. Und zum Bernsteinsuchen.
Charlotte hoffte noch immer auf ein ordentliches Fundstück - so eins, wie Lea besaß -, aus dem sie ein Herz für ihre Mutter schleifen lassen wollte. Bisher war ihr bester Bernstein kleiner als ein Stück Würfelzucker. Während sich viele Leute in Westerbüll nach den schwarzhaarigen »Drillingen« umsahen, stolperte auf dem Friesenhof niemand über die Ähnlichkeit. Über die Sache mit den gefärbten Haaren wusste jeder Bescheid - und ihre blauen Augen versteckte Charlotte zwischendurch hinter einer gelben Sonnenbrille.
Seit dem Rattenüberfall war es auf dem Friesenhof so ungestört und friedlich, dass keins der Mädchen mehr an eine Entführung glaubte. Trotzdem hielten sie Augen und Ohren offen.
»Entwarnung gibt es erst, wenn Charlotte im Flugzeug sitzt«, predigte Klara jeden Morgen.
Die einzige Aufregung ging im Moment
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