Die Pferde vom Friesenhof 03 - Flucht bei Nacht und Nebel
bevor sie ihre Mutter irgendwo sah. »Wir können doch ein neues Schulpferd gebrauchen. Geschenkt, verstehst du, Mama? Geschenkt!«
Abrupt blieb Klara stehen, als sie den Steuerprüfer erblickte, der ihrer Mutter am Schreibtisch gegenübersaß. Ungehalten klopfte er mit dem Kugelschreiber auf die Tischplatte und starrte Klara an.
»Eine Schenkung ist steuerlich folgendermaßen zu behandeln. Der Beschenkte muss unverzüglich ...«
Meike Eichhorn unterbrach den Mann. »Schon gut, wir lassen uns kein Pferd schenken.«
Mit flackerndem Blick sah sie Klara an. Bei allem Verständnis für ihre Tochter - aber in diesem Augenblick war ihr überhaupt nicht nach Unterbrechungen zumute. Der Mann vom Finanzamt nervte sie schon genug. Immer wieder rief er an, kündigte seinen erneuten Besuch an und verlangte ständig andere Aktenordner. Frau Eichhorn kam kaum zu ihrer Arbeit in der Tierarztpraxis. Und nun platzte auch noch Klara mitten in ein verzwicktes Steuergespräch herein.
Es fehlte nicht viel und Meike Eichhorn hätte einen Schreikrampf gekriegt.
Klara witterte die dicke Luft. Ihre Mutter konnte sie für heute vergessen.
»Schon gut. War nur ein Scherz, Mama«, murmelte sie und zog die Tür zu. »Ich wusste ja nicht, dass dein Steuerfuzzi schon wieder da ist.«
Sie lief zurück in die Küche und nahm Lea das Mobilteil aus der Hand. Ihre Schwester hatte angeregt mit dem Redakteur geplaudert. Klara presste das Telefon ans Ohr. »Herr Lettermann? Meine Eltern freuen sich riesig. Wir treffen uns morgen früh auf der Trabrennbahn. Wegen der Uhrzeit rufen wir Sie noch an ... Herr Lettermann? Sie sind ein klasse Typ.«
Die Küche erbebte unter Begeisterungsgeschrei, als Klara fertig war. Außer sich vor Freude rannten die Mädchen umher und sprangen über Tische und Bänke. Teresa warf zwei Teekannen um und verdarb ihre letzte saubere Hose. Aber das interessierte keinen.
»Ist Mama wirklich einverstanden?«, erkundigte sich Lea, als der Trubel sich etwas legte. Sie wunderte sich über die rasche Zustimmung.
Klara druckste herum. »Nicht direkt.«
»Also gar nicht.«
Klara hob die Arme. »Es passte nicht. Der Steuerfuzzi saß bei ihr. Ich regle das morgen früh mit Papa.«
Ausgekochte Bande
Klara stellte ihren Wecker auf fünf Uhr. Je eher sie ihrem Vater die wahnsinnige Neuigkeit überbringen konnte, desto besser.
Kim Behrens sprang in der »Pension Seehund« noch früher aus dem Bett. Sie zog es vor, sich aus dem Staub zu machen, bevor ihre Mutter aufstand. Wenn Frau Behrens ihre Tochter sah, fielen ihr sofort tausend Aufgaben ein, die sie im »Seehund« erledigen sollte. Darum schlich sich Kim heimlich davon.
Als Klara aus der Haustür trat, wartete ihre Freundin bereits. Gemeinsam liefen sie zum Parkplatz, wo ihr Vater damit beschäftigt war, einen Pferdehänger zu reparieren. Er saß in der Morgensonne auf der heruntergeklappten Laderampe und klebte die Gummiauflage nach, die sich gelöst hatte.
Als zwei lange Schatten über ihn fielen, sah er auf. »Ihr seid früh dran. Gibt es etwas Wichtiges?«
»Allerdings.« Klara stieß ihre Freundin an. »Sag du es, Kim, du kannst dich kürzer fassen.«
Ohne lange um den heißen Brei zu reden, erklärte Kim Markus Eichhorn, dass die Redaktion des »Seestedter Tageblattes« Tipo kaufen und dem Friesenhof schenken wollte.
Klara wühlte in ihren Taschen nach der Telefonnummer von Uli Lettermann und hielt ihrem Vater den Zettel hin. »Er kommt sofort mit dem Geld zur Rennbahn, wenn du ihn anrufst.«
Erwartungsvoll trat sie von einem Bein auf das andere. Ungläubig sah Markus Eichhorn zu den Mädchen hoch. Die Neuigkeit verschlug ihm erst einmal die Sprache. »Das habt ihr fein eingefädelt. Erpressung ist das!« Herr Eichhorn saß immer noch auf der Ladeklappe, die offene Tube in der Hand. »Wenn ich Tipo auf der Rennbahn lasse, bin ich schuld, wenn er Dopingmittel bekommt - das wollt ihr mir doch einreden. Hab ich Recht? Eine ausgekochte Bande seid ihr.«
Bei der Standpauke ihres Vaters bemerkte Klara ein Zucken in seinen Mundwinkeln. Er spielte den Empörten nur! Das musste sie ausnutzen.
»Papa, hör auf zu predigen. Freu dich lieber, dass dir jemand ein Schulpferd schenkt!«
Markus Eichhorn griff sich an den Kopf. »Ein Schulpferd? Ich höre wohl nicht richtig. Du glaubst doch nicht, dass ich deinen verrückten Traber jemals im Reitunterricht einsetzen kann?«
»Papa!«
Markus Eichhorn stieß einen Seufzer aus. Dass Mädchen einen so in die Zange
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