Die Pferde vom Friesenhof 03 - Flucht bei Nacht und Nebel
nehmen konnten! Sie schoben ihm den schwarzen Peter zu. Er steckte in einem Zwiespalt, aus dem er nicht herauskam.
Klebstoff tropfte ihm auf die Hand. Er rieb ihn an der Ladeklappe ab und schraubte die Tube zu. Wenn Tipos Rettung an ihm scheiterte, würde er keine ruhige Minute mehr haben. Das war Markus Eichhorn klar. Nahm er aber den Traber auf, wusste er nicht, was er mit ihm anfangen sollte. Der verängstigte Tipo für Ferienkinder? Ebenso gut konnte er in seinen Reitstunden Kampfstiere einsetzen!
Markus Eichhorn strich sich übers Haar. Seine Finger blieben kleben, vorsichtig musste er sie von den Haaren lösen. Andererseits, dachte er und betrachtete die ausgezupften Haare, hatten sich so viele Menschen für Tipo eingesetzt. Durfte er da noch Nein sagen? Auch wenn er das Pferd nicht gebrauchen konnte? Er ging seinen Bekanntenkreis durch. Sicher fand er jemand, der den Traber aufnahm. Ja, er musste es versuchen.
»Ich bin zu gut für diese Welt«, murmelte Markus Eichhorn und schlug sich auf die Knie. »Worauf wartet ihr noch?« Er deutete auf den Hänger. »Fegt den Boden und hängt das Heunetz auf.«
Kim und Klara tauschten ungläubige Blicke.
»Was haben Sie gesagt, Herr Eichhorn?«
Kim meinte, nicht richtig zu hören. Wie konnte er das Drama um Tipo mit dem Satz beenden: »Hängt das Heunetz auf«? Sie hatte sich den Augenblick völlig anders vorgestellt, wenn ein Traum wahr wird. Mit zuckenden Blitzen. Donner müsste grollen. Die Erde beben. Und nun endete der Kampf um den Traber ganz unauffällig und leise?
Auch Klara verschlug es die Sprache.
Markus Eichhorn ging zum Haus. Er wollte Uli Lettermann anrufen, um ihn zur Rennbahn zu bestellen.
Kim rief hinter ihm her: »Heißt das wirklich, wir holen Tipo auf den Friesenhof?«
Markus Eichhorn wandte sich auf der Treppe um. »Packt die Transportgamaschen ein.«
»Hast du gehört?« Klara hatte ihre Sprache wieder gefunden.
Nun brüllte sie in einer Lautstärke, die im Stall die Fenster klirren ließ: »Packt die Transportgamaschen ein!« Übermütig drehte sie Kim im Kreis herum und trällerte: »Packt die Transportgamaschen ein ...«
Die beiden waren selig. Keine rechnete damit, dass noch etwas schief gehen könnte.
Seit zwanzig Minuten marschierte Uli Lettermann auf dem Hof der Rennbahn auf und ab und beobachtete das Eingangstor. Er wartete auf die Leute vom Friesenhof. Endlich rumpelte ein grüner Geländewagen mit Hänger herbei. Auf der Autotür stand: »Friesenhof - das Reiterparadies am Meer«.
Markus Eichhorn parkte sein langes Gespann zwischen zwei Sportpferdetransportern.
Klara beugte sich über den Fahrersitz und wies auf den Mann mit Bart, der auf ihr Auto zukam. »Das ist er, das ist Uli Lettermann«, sagte sie aufgeregt.
Herr Eichhorn stieg aus und ging dem Redakteur entgegen. »Einfach Klasse, wie sich Ihre Zeitung für Tipo stark gemacht hat. Danke.«
Die Mädchen stießen sich an. Auf dem Friesenhof hatte sich das vorhin ganz anders angehört. Sie hatten Worte wie »ausgekochte Bande« im Kopf.
Verlegen winkte Uli Lettermann ab. Der Dank war ihm peinlich, er wollte ja nicht nur Tipo retten, sondern auch seinem Chef eine Lehre erteilen.
Kim und Klara waren in Hochstimmung. Kichernd malten sie sich aus, wie Thiessen gucken würde, wenn sie Tipo kauften. Ausgelassen hüpften sie neben den Männern her.
»Als ich vorhin im Stall von Trainer Thiessen war«, sagte Uli Lettermann und zeigte auf das Gebäude, das sie ansteuerten, »wurde Tipos Box ausgemistet, bis auf den nackten Beton. Tipo konnte ich nirgends entdecken. Ist doch seltsam.«
Wie vom Blitz getroffen blieben Klara und Kim stehen. Klara schossen Tränen in die Augen.
»Ich halte das nicht mehr aus«, schluchzte sie und verbarg ihr Gesicht an Kims Schulter. »Erst ist alles schrecklich. Dann hat man wieder Hoffnung. Und jetzt war doch alles umsonst.«
»Nichts war umsonst!« Kim packte ihre Freundin und schüttelte sie. »Wir geben jetzt nicht auf. So kurz vor dem Ziel. Mir nach!« Sie griff nach Klaras Arm und rannte mit ihr zum Stall.
»Halt! Wo wollt ihr hin? Wartet doch!«, rief Markus
Eichhorn ihnen nach. Aber die beiden hörten ihn gar nicht.
Thiessens Stalltür stand weit offen, einige Pferde dösten in den Boxen und schraken auf, als die Mädchen auf die Stallgasse stürzten. In Tipos Box war ein dünner Mann damit beschäftigt, Strohreste aus den Ecken zusammenzufegen.
»Wo ist Tipo?«, stieß Klara hervor.
Ohne aufzublicken brummte der Dürre:
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