Die Pferde vom Friesenhof 03 - Flucht bei Nacht und Nebel
Zeitung zu kaufen. Die Sonne kroch gerade erst am Horizont empor, als Klara, Kim und Lea zum Kiosk am Deich radelten.
Mit dem druckfrischen Tageblatt verzogen sie sich auf die Bank unterm Leuchtturm, wo sie vor dem Seewind geschützt waren. Fieberhaft blätterten sie die Zeitung durch. Endlich fanden sie den Artikel:
»Was ist los auf der Trabrennbahn? Hamburger Sänger holt sein Pferd aus dem Stall!«
Geschickt hatte Uli Lettermann direkte Vorwürfe an die Trainer vermieden, sondern nur über den Opernsänger Peter Pavel geschrieben. Und über seinen Traber, den er ins Nordseewatt schickte, weil er Erholung dringend nötig hatte. Wer zwischen den Zeilen lesen konnte, erkannte den Sprengstoff, der in den Sätzen steckte.
Klara faltete die Zeitung zusammen und stand auf. »Wenn sich ein Pferd dringend erholen muss, ist es logischerweise krank oder verletzt. Das kapiert ja wohl der Dümmste.«
Sie fuhren zurück zum Friesenhof. Weil es noch so früh war, misteten sie alle Boxen aus und waren schon fertig, als Markus Eichhorn um sieben Uhr im Stall erschien. Sie hatten sich geeinigt, Herrn Eichhorn die Neuigkeiten über Paris Proud zu verschweigen. Erst einmal wollten sie von Uli Lettermann erfahren, wie sein Bericht angekommen war. Zum Beispiel, ob die Leute von der Trabrennbahn wutentbrannt in der Redaktion erschienen waren.
Den ganzen Vormittag über versuchten sie, Uli Lettermann anzurufen. Aber niemand meldete sich in der Redaktion des »Seestedter Tageblattes«. Kunststück - Uli Lettermann saß im Auto und fuhr zur Trabrennbahn. Unterwegs dachte er daran, dass sein heutiger Artikel eingeschlagen war wie eine Bombe. Schon am frühen Morgen riefen empörte Tierfreunde bei ihm an. Sie berichteten von Scheußlichkeiten, die sie in den letzten Jahren von der Trabrennbahn gehört hatten. Uli Lettermann beschloss, der Rennbahn einen Besuch abzustatten und dort weiter nachzuforschen.
Es war noch früher Vormittag, also Trainingszeit, als er ankam. Uli Lettermann hoffte, etwas Auffälliges aufzuspüren.
Als er vor den Stallungen auftauchte und Fragen stellte, schlug ihm offene Feindseligkeit entgegen. Viele Trainer drehten sich einfach um, wenn er sie ansprach, andere pöbelten und beschimpften ihn. Lettermann hätte gern ein paar Fragen an Trainer Dirk Thiessen gestellt. Aber in seinem Trainingsstall traf er ihn nicht an. Dafür sah er Tipo. Der schwarze Traber stand reglos in seiner Box und Uli Lettermann fotografierte ihn. Für alle Fälle. Kaum saß er mittags wieder an seinem Schreibtisch beim »Seestedter Tageblatt«, bestellte ihn sein Chefredakteur zu sich. Unmissverständlich sagte der ihm, dass er keine Problemstorys über die Trabrennbahn wünsche. Uli Lettermann erfuhr auch warum.
Zwei Traberbesitzer - sie besaßen große Modegeschäfte in Seestedt - hatten Wind von den Nachforschungen bekommen und riefen beim Tageblatt an. Sie drohten, in der Zeitung keine Anzeigen mehr aufzugeben, falls ein »böser« Artikel über die Trabrennbahn erscheine.
Man wollte die Anzeigenkunden nicht verärgern, denn auf die Einnahmen mochte das »Seestedter Tageblatt« nicht verzichten. Das hieß: keine kritische Story über die Traber.
Als Uli Lettermann das Büro seines Chefs verließ, sagte er bitter: »Geld geht überall vor Tierliebe.«
Der Redakteur ärgerte sich schwarz über den Maulkorb, den sein Chef ihm verpasst hatte. Nur weil die Traberbesitzer viel Einfluss besaßen, durfte man eine Schweinerei nicht aufdecken? Nein, damit wollte er sich nicht kampflos abfinden.
Während Uli Lettermann die Treppe zu seinem Büro hinunterging, zerbrach er sich den Kopf, was er tun könnte. Kim und die anderen Mädchen würden maßlos enttäuscht sein, wenn die Trabergeschichte scheiterte. Im zweiten Stock holte Uli Lettermann aus der Fotoredaktion die Bilder von der Trabrennbahn ab und blätterte die Ausbeute flüchtig durch.
Als er kurz darauf vor seinem Computer saß, griff er immer wieder zum Bilderstapel und betrachtete das Foto von Tipo. Erst wusste er gar nicht warum, aber dann merkte er, dass seine traurigen Augen ihn nicht losließen. Kurzerhand drehte er das Bild um. Aber es half nichts, Tipos Blick verfolgte ihn.
Wenn es ihm schon so ging, dachte Uli Lettermann, obwohl er dieses Pferd gar nicht kannte - wie sehr mussten Kim und Klara um den Traber bangen? Die beiden würden alles dafür geben, um Tipo zu kaufen. Kims geflüsterte Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf: »Es wäre so schön, wenn mal ein Traum
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