Die Pferde vom Friesenhof 03 - Flucht bei Nacht und Nebel
verborgen konnte sie von oben durch die Kippfenster in den Stall gucken. Aber es geschah nichts Besonderes.
Am Wochenende hatte Klara mehrfach Gelegenheit, ihren Eltern alles zu erzählen. Doch sie scheute zurück. Was hatte sie schon in der Hand?
Erst Anfang der Woche machte Klara eine neue Entdeckung. Von ihrem Wachposten aus beobachtete sie, dass Thiessen vor der Fütterungszeit mit der Haferschüssel in Tipos Box schlich. Er holte das verräterische Tütchen hervor und hantierte damit über den Körnern. Gerade als er Tipos Trog füllte, riss plötzlich ein Trainerkollege die Stalltür auf. Er rief eine Nachricht hinein und verschwand wieder.
Thiessen fuhr zusammen. Auch Tipo regte sich auf und sprang in der Box zurück. Dem Trainer fiel etwas hinunter. Als der Besucher weg war, begann Thiessen im Stroh zu suchen, fand das Gesuchte aber offenbar nicht. »Meine Chance«, murmelte Klara aufgeregt. Sie sprang die Stufen hinab und rannte in den Stall. Wenn sie in der Nähe war, konnte Thiessen nicht suchen. Vielleicht ergab sich später eine Gelegenheit, Beweise in Tipos Box zu finden.
Thiessen schreckte hoch, als Klara hereinplatzte. Er verließ Tipos Box und beschäftigte sich auf der Stallgasse. Er beäugte Klara und wurde ungehalten, als er sie nicht los wurde. Er konnte sich nicht ewig hier aufhalten. Missmutig machte Thiessen einen Traber fertig. Als er mit dem Pferd auf die Rennbahn fuhr, verbot er Klara, Tipos Box auszumisten.
»Er hat eine Wurmkur bekommen. Ich will später die Einstreu kontrollieren«, behauptete Thiessen.
Am liebsten hätte Klara gesagt: »Soweit ich weiß, mischt man eine Wurmkur nicht ins Futter, sondern schiebt sie ins Maul.« Natürlich wäre das unklug gewesen, darum sagte sie: »In Ordnung.«
Klara wartete, bis Thiessen auf die Rennbahn verschwunden war, dann holte sie Kim herein. »Thiessen hat etwas verloren, es muss im Stroh liegen. Wenn du draußen Schmiere stehst, kann ich in Ruhe suchen.« Kim ging als Aufpasser auf den Hof, während Klara Tipo aus der Box holte und ihn auf der Stallgasse festband. Mit bloßen Händen wühlte sie in der Einstreu. Klara griff in Pferdeäpfel und nasses Stroh, stieß auf einen alten Hufkratzer und verscharrte Möhrenstücke. Und dann, sie wollte schon aufgeben, ertastete sie etwas Glattes. Mit spitzen Fingern hob sie es aus dem Stroh und wischte es an der Hose ab. Es war eine kleine, beschichtete Tüte, die mal weiß gewesen war, jetzt aber bräunlich aussah.
Klara pfiff durch die Zähne. Solche Portionstüten für Medizin kannte sie aus der Tierarztpraxis zu Haus. Normalerweise stand der Name des Medikaments darauf. Aber auf dieser Tüte fehlte der Aufdruck. »Schmuggelware«, murmelte Klara.
Neulich hatte ihr Vater von verbotener Tiermedizin erzählt, die in großen Mengen aus Osteuropa eingeschmuggelt wurde. In Packungen ohne Namen. Ein paar Dutzend Bauern in Norddeutschland waren aufgeflogen. Sie hatten ihren Schweinen kiloweise unerlaubte Medikamente gegen Stress gegeben. Kam Tipos Dopingmittel ebenfalls aus dunklen Kanälen? Anständige Tierärzte verordneten keine Medikamente ohne Namen. Klara traute Galle alles zu.
Rasch ließ sie die Tüte in eine halb leere Taschentuch Packung gleiten und verwahrte sie in der Hosentasche. Ein gutes Gefühl, endlich etwas in der Hand zu haben, dachte sie, es lohnt sich, mit der Detektivarbeit fortzufahren. Vor allem musste sie mehr über unerlaubte Trainingsmethoden erfahren.
Während der folgenden Tage versuchten Klara und Kim alles, um mit möglichst vielen Leuten von der Rennbahn ins Gespräch zu kommen. Trainer aus Nachbarställen tauchten häufig im Stall auf, nette sogar, mit denen sie sich unterhielten. Das war so lange einfach, bis das Wort »Doping« fiel. Bei dem heiklen Thema blockten alle ab. Stellte Klara eine scheinbar harmlose Frage, zum Beispiel, wie man Traber am Galoppieren hindert, dann verschlossen sich die Mienen und es kamen nur belanglose Antworten.
Dass in einigen Ställen Dinge passierten, die nicht in Ordnung waren, hörten die Mädchen trotzdem heraus. Die beiden bekamen auch mit, dass sich die Trainer untereinander nicht grün waren. Manche machten einen großen Bogen umeinander, einige grüßten kaum oder drehten den Kopf weg, wenn ein Kollege vorbeifuhr. Wenn die Fahrer auf der Bahn trainierten, nutzten Klara und Kim die Gelegenheit, sich in anderen Ställen umzusehen. Einige waren gut in Schuss, aber ein paar Gebäude wirkten heruntergekommen, was man auch von
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