Die Pflanzenmalerin
Nachmittag war ihre Antwort dieselbe: Die Tochter des Hauses sei indisponiert und empfange keine Besucher.
Schon vor einigen Tagen hatte er sich vorgenommen, ihr bei seiner Abreise ein Buch zu schenken, eine Ausgabe von Gerards Herbarium. Nun beschloss er, es ihr schon jetzt zukommen zu lassen, und gab es mit seinen Empfehlungen an ihrer Tür ab. Noch keine Stunde war verstrichen, da wurde das Geschenk zurückgesandt. Am nächsten Tag wanderte er ruhelos durch die Wälder, gekränkt durch ihre Kühle und verärgert über die Zurückweisung. Welche Richtung er auch einschlug, immer fand er sich ohne Absicht vor ihrer Tür wieder. Er wagte mehrere Vorstöße, wurde aber jedes Mal zurückgewiesen. Leise in sich hineinfluchend, zog er sich schließlich in den Wildpark der Abtei zurück.
Hatte ihn die Willkür ihrer plötzlichen Abkehr zunächst verdrossen, so begann er sich nun darüber zu wundern. Dr. Taylor erklärte mit Bestimmtheit, der Zustand ihres Vaters sei zwar bedenklich, aber weder besser noch schlechter als zuvor. Hatte er selbst sie durch irgendein Verhalten veranlasst, auf Distanz zu gehen? Doch dann dachte er an ihre letzten Worte und ihr ein wenig trauriges Lächeln, als er gegangen war, und verwarf diesen Gedanken wieder. Er versuchte, sie wegen der Sprunghaftigkeit zu verurteilen, die ihrem Geschlecht üblicherweise zugeschrieben wurde, vermochte es aber nicht. Ohne zu begreifen, was geschehen war, musste er sich eingestehen, dass er nie einer weniger koketten Frau begegnet war.
In gewisser Weise aber vermehrte dieses Wissen seinen Ärger noch, als machte ihr Anderssein sie zugleich tadelnswert. Am vierten Tag sprach er nicht mehr bei ihr vor.
In dem abgedunkelten Haus hörte sie seine Schritte kommen und gehen, bis sie ganz ausblieben. Die Stille zwischen seinen Besuchen war vom gleichmäßigen Atmen ihres Vaters und dem Knarren der Dielen erfüllt, die sich mit dem Lauf der Sonne ausdehnten und wieder zusammenzogen. Die Läden ließen kaum Sonnenlicht ein und hielten nachts die Hitze gefangen, sodass ihr feuchtes Taschentuch zuweilen trocknete, noch ehe es die Stirn ihres Vaters erreichte. Nur selten schaute sie hinaus, doch wenn sie es tat, sah sie durch den Spalt die Kastanien, die sich wie Wolken über der Wiese jenseits des Weges türmten. Wenn ein Windhauch hineinwehte und den Staub aufrührte, brachte er einen Duft nach Feldern und warmem Gras mit.
Dass er nicht mehr kam, stimmte sie traurig und bestätigte sie zugleich. Binnen weniger Sommertage hatte sie die Hoffnung fürchten gelernt, so wie sie einst die Verzweiflung fürchten gelernt hatte. Und so durchtrennte sie das Band zu ihm und hoffte, dass die Wälder, wenn er fort war, wieder ihr gehören würden, zumindest bis zu dem Tag, an dem das sachte Atmen verstummen und alles anders werden würde.
An den folgenden Abenden holte sie ihre Zeichnungen hervor und studierte im Schein der Lampe jede einzelne von ihnen. Im Dunkel der Nacht hielt sie den Gedanken an ihn so fest, dass kein neuer Morgen genug schien, ihn ihr zu entreißen.
Den ersten Tag, an dem Banks nicht mehr an dem Haus in Revesby anklopfte, verbrachte er fast ausschließlich in seinem Zimmer. Am nächsten Morgen stand er früh auf und holte ein Pferd aus den Ställen. In halsbrecherischem Galopp ritt er zu Charles Cartwright, einem benachbarten Grundbesitzer mit drei unverheirateten Töchtern. Bedenkenlos flirtete er bald mit dieser, bald mit jener und trank zum Dinner mehr Wein als gewöhnlich. Schließlich empfahl er sich beinahe abrupt und ritt zurück, wobei er sein Pferd mit Peitsche und Sporen antrieb. Im Schein des zu drei Fünfteln vollen Mondes erreichte er Revesby Abbey. Noch in Reitkleidung marschierte er geradewegs in sein Studierzimmer. Dort nahm er einen Bogen Papier und begann ohne Zögern zu schreiben.
»Meine liebste Harriet«, schrieb er, »ich werde unverzüglich nach London zurückkehren. Ich war wie immer der schlechteste aller Briefschreiber, doch in der Zeit hier ist mir vieles klar geworden. Bitte erlaube mir, dich bei meiner Rückkehr aufzusuchen und gewisse Dinge mit dir zu besprechen, die besser gesagt als geschrieben werden...«
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Der Spix-Ara
Ich hatte Gabriella über den Resten eines toten Aras kennen gelernt. Damals war ich jünger und noch Optimist, und der brasilianische Regenwald war in jeder Hinsicht unerforscht. Ich war mit De Havillands Expedition dorthin gereist, frisch von der Universität und maßlos überzeugt von meinen
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