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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Fähigkeiten. Als De Havilland abreiste, blieb ich, um mich einer Gruppe aus Oxford anzuschließen, die einige Wochen später eintreffen sollte. Es wurden Monate daraus - wichtige Teilnehmer waren erkrankt oder hatten es sich anders überlegt, und die Finanzierung war immer wieder gescheitert -, aber das Warten machte mir nichts aus. Ich war jung und voller Zuversicht, und nichts schien besondere Eile zu haben. Ich hatte gute Beziehungen dort, durch die ich ein sauberes Zimmer mit einem Schreibtisch und einem Ventilator fand, und was noch wichtiger war: Ich hatte eine Kiste voller Notizen unter meinem Bett und eine Idee für ein Buch über ausgestorbene Vogelarten, das mein Hauptwerk werden sollte. Eine brillante Idee, so schien es damals.
    Tagsüber schlief ich meist oder schlenderte mit einem Drink in der Hand auf Gartenpartys des Konsulats umher, nachts schrieb und schrieb ich mit unverhohlener Leidenschaft über das Schicksal der Wandertaube oder des Riesenalks. Mein Kopf war klar und konzentriert, und ich brachte Seite um Seite zu Papier, ohne Streichungen. Die Seiten liegen noch immer in der Truhe unter meinem Bett.
    Wenige Tage bevor die zweite Expedition aufbrach, kam Berkeley Harris, der Quartiermeister, zu mir.
    »Hast du mal kurz Zeit, Fitz?«
    Harris nahm beim Reden nie die Pfeife aus dem Mund. Er gehörte zu der Sorte Männer, die tagaus, tagein knielange Hosen trugen und die Pfeife nur zum Essen aus dem Mund nahmen - eine Spezies, die in Europa kurz nach dem Krieg ausgestorben ist, in postkolonialen Randgebieten damals aber noch in kleinen Populationen vorkam.
    »Ich frage nur, weil im Bungalow dort drüben ein ziemlich hübsches Mädchen Hilfe braucht - bei einem Papagei. Du bist der Mann dafür, hab ich ihr gesagt.«
    Normalerweise lag er in allem daneben, doch was Gabriella betraf, hatte er ausnahmsweise einmal Recht gehabt. Sie stand im Schatten, als Harris mich in den Garten des Bungalows führte, und ich sah erst nur eine schlanke Gestalt. Dann trat sie in die Sonne hinaus, um uns entgegenzugehen, und ich brach mitten im Satz ab und streckte die Hand aus. Ich hatte Mädchen gekannt, die als schön galten, und Gabriella hatte nichts mit ihnen gemein. Doch ihre Augen, ihre Kopfhaltung und ihr Stirnrunzeln, als sie mir die Hand gab, hatten etwas Besonderes.
    »Miss Martinez, das ist John Fitzgerald. Er kann Ihnen bestimmt weiterhelfen. Fitz, Miss Martinez arbeitet im Zoo. Ihr Papagei ist gestorben, und sie will ihn ausstopfen lassen.«
    »Präparieren. Präparieren heißt das. Ausstopfen sagen wir nur, wenn wir schnoddrig daherreden wollen.«
    »Aha. Also, ich geh dann. Muss nämlich eine Expedition präparieren.«
    Sie wartete, bis er im Haus war, ehe sie sprach. Ihre Stimme war das Gegenteil des Gekichers auf den Gartenpartys.
    »Er irrt sich, Mr. Fitzgerald. Es ist kein Zoo, und es ist kein Papagei.«
    Ich musste lachen.
    »Das ist bei Harris der Normalfall. Aber wie kann ich Ihnen helfen, Miss Martinez?«
    Sie sah mir mit großem Ernst in die Augen.
    »Ich habe einen der seltensten Vögel der Welt verloren.«
    Eine bessere Einleitung hätte sie nicht finden können.
     
    Die Gabriella, die mir jetzt am Küchentisch gegenübersaß, hatte noch dieselben ernsten Augen. Sie betrachtete mich mit ihrem halben Lächeln, studierte mein Gesicht mit derselben entwaffnenden Aufmerksamkeit wie früher. Als ich eine Flasche Wein aufmachte, kam es mir vor, als sei die Küche zu klein für sie, als sei ein dunkles Waldtier versehentlich in einen Pferch geraten.
    »Auf verlorene Vögel?«, sagte sie und hob ihr Glas.
    Das war zwar nicht meine erste Wahl, aber es ging.
    »Auf verlorene Vögel.«
    Es klang ein wenig nach Plastik, als unsere Gläser aneinander stießen.
    »Schön, dich wieder zu sehen, Fitz. Gestern Abend konnten wir ja nicht reden.«
    »Das hab ich gemerkt.«
    Sie legte die Hand um ihr Glas und wiegte es sacht, sodass der Wein darin zu kreisen begann.
    »Ich wollte dich vorher anrufen, aber du hast meine Briefe nicht beantwortet. Ich war verunsichert. Als Karl dann nach dir gefragt hat, war das ein guter Vorwand.«
    Sie hätte keinen Vorwand gebraucht, aber das sagte ich ihr nicht. Eine Weile schauten wir uns an und wussten nicht, wo wir wieder anknüpfen sollten. Schließlich begann sie, von ihrem Projekt im Amazonasgebiet zu erzählen, davon, wie es sich entwickelt hatte, seit wir uns zuletzt gesehen hatten, was für eine Art von Arbeit sie dort machte. Ihre Augen leuchteten, als sie von den

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