Die Pflanzenmalerin
den Spiegel zu ihm hinüber. Eine braune Locke fiel über ihre Wange.
»Es ist ja nicht nur Martha«, sagte er. »Was ist mit den anderen Bediensteten? Fürchtest du nicht um deinen Ruf?<
»Ich habe keinen Ruf«, erwiderte sie schlicht. »Fürchtest du nicht um deinen?«
»Ich habe auch kaum einen. Man stellt mich als einen notorischen Schürzenjäger dar. Und außerdem...«
»Beurteilt die Welt Männer anders?«
»Ja.<
Ihre Hände machten sich geschickt an ihrem Haar zu schaffen. »Ich nicht«, sagte sie.
»Wenn wir so zusammen sein wollen, wie ich es mir wünsche, kannst du nicht hier wohnen bleiben. Es ist zu weit entfernt. Ich könnte dir in London eine Wohnung besorgen. An einem diskreten Ort. In der Menge würde man kaum Notiz von dir nehmen. Ich glaube, du wärest dort glücklich.«
Sie sah ihn an und fuhr fort, sich das Haar hochzustecken.
»Als deine Geliebte?«
Er schwieg einen Moment. »Als die Frau, mit der ich zusammen sein will.«
Da trat sie zu ihm und legte ihm beide Hände auf die Brust. »Du brauchst nichts zu erklären«, sagte sie. »Ich weiß, was ich sein und was ich nicht sein kann. Sollte ich aber je so mit dir zusammen sein, wie du es vorschlägst, musst du gewisse Dinge akzeptieren.«
Er nickte, plötzlich ein wenig feierlich.
»Von hier wegzuziehen wäre im Moment verfrüht. Selbst Richmond ist mir noch fremd, und London würde es noch mehr sein. Und bald wirst du wieder abreisen. Wenn ich auf dich warten muss, dann tue ich es lieber hier, wo mir alles schon ein wenig vertraut ist, wo Felder und Bäume nahe sind.«
Er nickte. »Und weiter?«
»Ich werde nicht den Namen meines Vaters führen. Wenn du nach deiner Geliebten gefragt wirst, möchte ich nicht, dass die Leute an das Mädchen in Revesby denken, mit dem du dich dort im Wald getroffen hast. Diese Genugtuung gönne ich ihnen nicht.«
»Selbstverständlich, Miss Brown. So soll es sein.« Er berührte die lose Locke. »Der Name passt zu dir.«
Sie schob seine Hand fort.
»Das andere ist schwieriger für dich. Irgendwann wirst du heiraten...«
»Wieso sollte ich?«
»Du wirst. Du wirst müssen. Ich will keine Belastung für dich sein, wenn es so weit ist. Ich habe meinen Stolz. Wenn der Tag kommt, da du mich nicht mehr in deinen Armen hältst, so wie du es in dieser Nacht getan hast, werde ich Abschied nehmen und gehen.«
»Das wird nicht geschehen. Aber du solltest natürlich frei sein, diese Entscheidung jederzeit zu treffen. Ich würde nicht wollen, dass du in einem Käfig lebst. Ich werde dafür sorgen, dass dir die Mittel zur Verfügung stehen zu handeln, wie es dir beliebt.<
»Du wirst mich gehen lassen? Du wirst mir nicht folgen, was auch immer du fühlst?«
»Das klingt, als hättest du vor, mich zu verlassen.«
»Vielleicht«, erwiderte sie leise. »Wenn wir uns eines Tages trennen müssen, will ich vorbereitet sein. Dann wird es weniger schmerzen. Ich habe schon einmal einem Mann wehgetan, als ich ihn verließ, und du hast mich darin bestärkt, hast mich gedrängt, mein eigenes Leben in den Vordergrund zu stellen. Vielleicht wird einer von uns irgendwann wieder so denken müssen. <
»Schsch«, machte er und legte ganz sanft die Fingerspitze auf ihre Lippen. Als sie weitersprechen wollte, küsste er sie.
Sie sah ihm aus dem Fenster nach, wie er ins Dunkel hinaustrat, leichtfüßig wie ein Junge. Dann wandte sie sich zu Martha um.
»Geht es Ihnen gut, Miss?<
Sie errötete. »Ja, Martha. Sehr gut.«
»Er ist ein sehr charmanter junger Mann, Miss.«
»Er ist mehr als das. Wenn er davon spricht, was er alles mit der Welt anstellen könnte, hat er in zehn Minuten mehr neue Ideen, als sich in allen Büchern meines Vaters finden.«
»Ja, Miss, seine Ideen gefallen Ihnen. Es sieht so aus, als würden wir noch eine Weile in diesem Haus bleiben.«
»Ja, vorerst bleiben wir hier, Martha.«
»Mir ist es einerlei.<
»So?« Sie zögerte, wusste nicht, was sie sagen sollte. »Aber eines Tages werden wir zurückkehren, Martha. Nach Lincolnshire. Ist dir das klar?<
Martha blickte zum Fenster, in die Nacht hinaus, die Banks verschluckt hatte.
»Ja, Miss. Und alles wird gut sein. Auch dann.«
Am Abend blieb sie auf, bis Martha zu Bett gegangen war; sie wollte allein in ihrem Zimmer sein. Dort fand sie alles so vor, wie sie es verlassen hatte, die Luft noch warm und duftend, die Lampe schwach brennend, die Laken zerwühlt. Während sie sich entkleidete, rief sie sich jeden Augenblick, jede Bewegung zwischen
Weitere Kostenlose Bücher