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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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vollkommenes Glück trübte. Nachts träumten sie am Feuer von einer Welt, in der alles, auch sie selbst, so sein konnte, wie sie es sich wünschten.
    »Du würdest hier bleiben und Pflanzen züchten«, sagte sie, »und eine Möglichkeit finden, auf deinen geliebten Fens Ananas anzubauen.«
    »Zu kalt«, erwiderte er.
    »Du würdest das Wasser über unterirdische Röhren heizen, und die Leute würden sogar von Brasilien kommen, um darin zu baden.«
    Er sann darüber nach. »Dann würdest du durch die Grafschaften Englands reisen und das Standardwerk über Moose und Flechten schreiben. Du würdest an den Innenwänden aller unserer großen Bauwerke Moos ziehen, damit die Besucher es bequemer studieren könnten. Und zum Lohn deiner Mühen würde man dich einstimmig in die Royal Society wählen.«
    »Zu jung und nicht als Frau.«
    »Du würdest unter dem Namen Tom Brown der Ältere schreiben. <
    »So! Und ich soll immer nur Flechten zeichnen?«
    »Also gut, dann würdest du mit mir um die Welt reisen und zeichnen, was ich zusammentrage. Unsere Sammlung würde ein Weltwunder werden.<
    »Eine Frau auf See?«
    »Ich würde dich als Jungen verkleiden.«
    »Nur um der Kunst willen?« Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen, und ihre Lippen streiften sacht seinen Hals.
    »Nun ja«, sagte er nachdenklich und musste lächeln, »vielleicht nicht nur wegen deiner Zeichnungen.« Abrupt zog er sie an sich und küsste sie auf ihren lachenden Mund.
     
    Als sich der Februar dem Ende zu neigte, wurde der Schnee allmählich zu Wasser und der Ritt beschwerlicher. Die Zeit hatte sie eingeholt, und der tiefer werdende Matsch war eine Warnung. Nur vier Monate blieben ihnen noch, bis er mit der Resolution auslaufen sollte.
    Die Stunden, die sie miteinander verbrachten, wurden ruhiger, die Abschiede schmerzhafter. Keiner mochte an das Ende denken, und doch taten sie es jeden Tag. Beiden kam das Spielerische abhanden. Lachten sie noch zusammen, so war etwas Unbändiges dabei, der verzweifelte Wunsch, den Augenblick festzuhalten, solange es nur irgend ging. Statt spazieren zu gehen, saßen sie jetzt lange Stunden beisammen und berührten sich öfter.
    Eines Nachts schließlich - sie lagen aneinander geschmiegt, und nur das Feuer erleuchtete den Raum - sagte er: »Komm mit mir.<
    Sie lag halb auf ihm, den Kopf auf seiner Brust, ein Bein zwischen seinen. Sie mochte geschlafen haben, doch bei seinen Worten hob sie den Kopf. Das Feuer hinter ihr glühte sanft. Er hatte erwartet, dass sie lachen, ihn necken würde, aber sie sah ihn unverwandt an.
    »Das könnte ich nicht«, sagte sie schließlich.
    »Doch!« Von plötzlicher Energie gepackt, schob er sie von sich und kniete sich neben sie. »De Commerson hat es auch so gemacht. Seine Geliebte ist als sein Page verkleidet mit ihm um die Welt gereist. Sie hat die Ostindischen Inseln gesehen, China, Indien, die schönsten, erstaunlichsten Orte!«
    »Aber es blieb nicht verborgen«, sagte sie ruhig. »Am Ende wurde sie entlarvt.«
    Sie kniete sich ebenfalls hin und sah ihn an. Sein Elan wirkte ansteckend.
    »Du könntest auf Madeira an Bord kommen«, fuhr er fort, »weit weg von neugierigen Blicken. Ich würde Cook sagen, dass einer unserer Zeichner dort zu uns stößt.<
    »Joseph! Das ist unmöglich - eine Frau auf See, die sich als Mann ausgibt. Die Unterkünfte an Bord...<
    »Ich habe dieses Mal mehr Platz für meine Leute, das ist bereits geregelt. Ich werde eine zusätzliche Kabine verlangen, neben meiner, das wird man mir nicht abschlagen.<
    Sie wandte den Blick ab, versuchte, sich vorzustellen, wie sie mit kurz geschnittenem Haar und engem Wams aussehen würde.
    »Überleg doch nur!«, rief er. »Du könntest die Ozeane, die Tropen, alles, worüber wir immer reden, mit eigenen Augen sehen. Du könntest mit mir auf unkartiertem Land stehen, das Kreuz des Südens am Nachthimmel suchen. Du könntest das Salz im Wind riechen, wenn wir ums Kap der Guten Hoffnung segeln. Alles, was du dir ausgemalt hast, könntest du selbst betrachten! Überleg es dir! Stell dir vor, wie es sein könnte!<
    Es war unmöglich, das wusste sie, Hirngespinste, den langen Nächten mit ihren Wintersternen entsprungen. Doch der Feuerschein wob seine Worte zu leuchtenden Bildern, und ihre geheimsten Träume schienen für einen Augenblick in Reichweite zu rücken. Sie war bereit, viel zu riskieren, um nur einen von ihnen zu berühren. Und was riskierte sie schon? Nur ihn. Und ihn würde sie ohnehin verlieren.
    Eine Woche später rollte

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