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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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kein angenehmer Gedanke. In Gesellschaft seiner Freunde war Banks verwegen und respektlos, in Richmond am Kamin unverfälscht und leidenschaftlich. Doch der Kapitän verkörperte für ihn andere Ideale, Ideale der Führungsstärke und der Rechtschaffenheit, die er an dem Seefahrer stets bewundert hatte. Eine Geliebte an Bord zu schmuggeln war wohl kaum ein Beweis solcher Eigenschaften. Und je mehr ihn sein Gewissen plagte, desto mehr ärgerte er sich über Cooks Tugenden und desto heftiger schwelte der Konflikt.
    Während in ihm die Zweifel wuchsen, wurde sie seltsamerweise unbekümmerter. Der Sommer kam rasch, die Tage wurden heiß, die Nächte kurz und stickig. Ihre Passage nach Madeira war bestätigt, für Geld und Unterkunft war gesorgt. Ihr Traum schien ein Eigenleben und eine eigene Logik zu entwickeln. Sie begann, jeden Schritt ihrer Reise einzustudieren: die Kutschfahrt nach Southampton, das Einschiffen auf der Robin , ihre Stimme bei alldem, ihren Namen, ihre Art, sich zu geben, ihr Verhalten. Sie probte ihren Text und bekämpfte ihre Ängste, ehe sie sie zu verschlingen drohten. Banks wurde in dieser Zeit so häufig in London gebraucht, dass seine Besuche unregelmäßiger und kürzer wurden. Umso leichter konnte sie sich vorstellen, wie es in ihrem Refugium in Richmond aussehen würde, wenn er fort war und sie zurückblieb. Was Verschwiegenheit gewesen war, würde Isolation werden, was Geheimnis gewesen war, würde sie erdrücken. Je länger sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass sie ohne ihn nicht bleiben konnte. Was als Nächstes geschehen würde, verlor mehr und mehr an Bedeutung, solange es nur nicht dies war.
    Eine Woche vor der geplanten Abreise zog sie ihre neuen Kleider an und schlüpfte in die Abenddämmerung hinaus. Es war schon still in den Straßen, nur da und dort ging noch jemand im warmen Zwielicht dahin und rührte den Staub auf. In den Häusern und den Wirtschaften am Fluss brannte Licht. Die Themse war ein dunkler Spiegel, der nichts reflektierte. Von niemandem beachtet, ging sie über eine Stunde durch die Straßen und nahm Abschied von den vertraut gewordenen Dingen. Der Wind frischte auf und zerriss die Wolkendecke. Wo die letzten Häuser an den Wald grenzten, blieb sie stehen. Sie fühlte sich sehr klein und sehr allein und bis ins Innerste von Angst erfüllt. Doch als sie aufblickte und die Wolken vor dem Mond dahineilen sah, erschauerte sie, und ein tiefer Atemzug füllte ihre Lunge. Und als sie ausatmete, war es, als umarmte sie der Nachthimmel.
     
    Als er drei Tage später zu ihr ritt, hatte er einen Entschluss gefasst. Der Reiz des Spiels hatte lange genug gewährt; jetzt war er nicht mehr aufrechtzuerhalten. Es sollte ihre letzte gemeinsame Nacht werden, am nächsten Tag sollte er sie zur Kutsche geleiten. Nun aber würde er ihr sagen, dass sie nicht fahren dürfe, würde es ihr nötigenfalls verbieten. Es war ein Trugbild gewesen, von ihm geschaffen; die Schuld lag bei ihm. Er würde sie um Verzeihung bitten, und sie würden ihr Leben nach seiner Rückkehr planen. Sein Entschluss erfüllte ihn mit unendlicher Erleichterung.
    Bei seiner Ankunft in Richmond übergab Martha ihm mit düsterer Miene eine Nachricht in den ihm schon vertrauten schrägen Schriftzügen.
    »Mein Liebster«, begann der Brief, »vergib mir. Noch eine Nacht in Deinen Armen, und Du würdest mich umstimmen. Allzu leicht stellt sich Furcht ein, wenn Du an meiner Seite bist. Allein aber bleibt mir keine Wahl, als tapfer zu sein. Ich weiß, wenn Du mich hältst, wirst Du mich nicht mehr gehen lassen, und deshalb bin ich nun schon fort. Ich muss so handeln. Ich erwarte Dich auf Madeira. Dort sehen wir uns wieder.<
    Der Brief trug keine Unterschrift, aber am Fuß der Seite war in kleiner, unsicherer Schrift noch eine Zeile angefügt:
    »Es ist dunkel, und mit dem Wind weht etwas heran, das mir Angst macht. Was uns auch widerfährt - ich werde immer an Dich denken. Wenn Du kannst, denk auch an mich.<

13
    Grammofone
    Ich hatte mich im selben Hotel einquartiert wie Karl Anderson, in der Absicht, ihn damit in Verwirrung zu bringen. Er sollte mich auf einer heißen Spur wähnen und so nervös werden, dass er einen Fehler machte. Doch wie sich herausstellte, war die Verwirrung ganz auf meiner Seite.
    Kaum hatte er mich erblickt, erhob er sich und kam lächelnd und mit ausgestreckter Hand auf mich zu. Wie zuvor wirkte er nordisch gesund und selbstbewusst. Sein Anzug war von tadellosem Schnitt, und er trug

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