Die Pflanzenmalerin
diese Mary Burnett aus Revesby war, könnte sie dann nicht irgendwann später wieder dorthin zurückgegangen sein? Nach ihrer Affäre mit Banks?<
Ich nickte. »Ja. Nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich. Sie könnte in Revesby geheiratet haben. Oder dort gestorben sein.« Das bedeutete eine elende Sucherei. Wir sahen alle Heiratsregister der folgenden vierzig Jahre durch, wir sahen alle Sterberegister der folgenden hundert Jahre durch - eine Mary Burnett kam nirgends mehr vor. Dann begannen wir, noch immer auf ein Wunder hoffend, die Register der Nachbargemeinden zu überprüfen. Mittags aßen wir rasch ein paar Sandwiches, dann machten wir weiter. Um drei legten wir eine Pause ein. An der Wand hing eine Karte der Grafschaft.
»Lincolnshire ist riesengroß«, sagte ich.
»Und hat massenhaft Gemeinden.<
»Und wieso sollten wir nur hier schauen? Sie könnte sich genauso gut in Norfolk niedergelassen haben. Oder in Yorkshire. Da gibt es auch jede Menge Gemeinden.<
Um vier taten uns die Augen weh, und die Liste der Burnetts, die wir gefunden hatten, wurde immer sinnloser. Weitere Hinweise auf Mary Burnett hatten wir nirgends entdeckt. Um halb fünf machten wir Schluss und packten unsere Notizen zusammen. Katya verschwand auf die Toilette, und ich wartete an der Haupttheke auf sie, wo die Angestellten ebenfalls Feierabend machten. Die Bibliothekarin, mit der wir am Morgen gesprochen hatten, fand, ich wirkte niedergeschlagen.
»Kein Glück?«, fragte sie.
»Leider nein. Ein paar Burnetts haben wir gefunden, aber nicht die, die wir suchen.«
Sie sah sich im Leseraum um. »Es gibt da einen Herrn, der wegen seines Familienstammbaums häufig hier ist. Kürzlich hat er mal gesagt, er suchte nach Burnetts. Das ist mir heute Morgen wieder eingefallen, als Sie den Namen genannt haben. Ich hätte ihn Ihnen zeigen können, wenn er heute gekommen wäre. Aber vielleicht, wenn Sie morgen wiederkommen... Er heißt Bert. Die meisten unserer Stammgäste kennen ihn.«
Bevor wir gingen, vereinbarten Katya und ich noch, uns um sieben zu treffen und unsere Notizen durchzusehen, dann machte sie sich schnell auf den Weg. Ich schaute ihr nach, wie sie in die beginnende Abenddämmerung hinaustrat, das Gesicht tief im Kragen ihres Mantels vergraben. Nach einer Weile drehte sie sich um. Gleich darauf hatte das abendliche Verkehrsgewühl sie verschluckt, aber bevor sie sich abwandte, winkte sie mir noch ganz scheu zu.
Das hob meine Laune, und ich wollte ihr schon folgen, als die Bibliothekarin mich zurückrief.
»Entschuldigen Sie, Sir, ich dachte, das könnte Ihnen weiterhelfen.« Sie drückte mir einen Zettel in die Hand, zwinkerte mir ziemlich überraschend zu und eilte dann geschäftig in die andere Richtung davon. Ich faltete den Zettel auf. Der Name Bert Fox stand darauf und daneben in sehr ordentlicher Schrift eine Telefonnummer.
Der Glücksfall, um den mein Großvater gebetet hatte, kam so spät, dass er das Warten schon fast aufgegeben hatte. Er hatte sich treiben lassen, hatte in London nichts Rechtes mit seiner Zeit anzufangen gewusst, sein Ruf hatte sich verschlechtert, und er war darüber zu einem grimmigen Sturkopf geworden. Als er 1933 im Explorer’s Club das neue Jahr begrüßte, waren bereits siebzehn Jahre vergangen, seit Chapin die eine Feder gefunden hatte, und in jedem einzelnen dieser Jahre hatte mein Großvater in der ständigen Furcht vor der Nachricht gelebt, der Vogel sei inzwischen entdeckt worden. Dann wurde er eines Tages im selben Club durch reinen Zufall einem Südafrikaner namens Myerson vorgestellt. Myerson hatte im Bergbau viel Geld verdient - und war, wie mein Großvater erfuhr, ein leidenschaftlicher Sammler seltener Vögel.
Da ich nichts Besseres zu tun hatte, beschloss ich, die Nummer auf dem Zettel anzurufen. Nachdem es drei-, viermal geklingelt hatte, meldete sich eine Männerstimme.
»Verzeihung«, begann ich und machte mir erst jetzt klar, dass ich mir gar nicht überlegt hatte, was ich sagen sollte. »Ist dort Bert Fox?«
»Ja.« Es klang schroff, aber nicht unfreundlich.
»Äh, Sie kennen mich nicht, mein Name ist Fitzgerald. Ich war heute den ganzen Tag im Grafschaftsarchiv, und die Bibliothekarin meinte, Sie könnten mir vielleicht helfen. Ich suche jemanden namens Burnett.«
»Das muss Tina gewesen sein. Ich sage ihr immer, woran ich gerade arbeite. Welchen Burnett suchen Sie denn?<
Ich sagte ihm, es handle sich um eine Frau, die um 1770 in London gelebt habe
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