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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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sehr gern beim Zeichnen zuschauen.« Bevor sie antworten konnte, erschien Mrs. Drake wieder, um die Tafel aufzuheben. In dieser Nacht schlief sie, erschöpft, wie sie war, tief und fest. Am nächsten Morgen erwachte sie mit einer unbestimmten Angst.
     
    Die Pläne für Island schritten ohne sein Zutun voran. Das Chartern des Schiffes, der St. Lawrence , handelte Solander weitgehend allein aus, die Route wurde festgelegt, fast ohne dass Banks etwas davon mitbekam, Vorräte wurden an Bord geschafft, während er noch auf den Kalender starrte und hoffte, sie möge zurückkehren. Seine gelegentlichen Energieausbrüche überzeugten die Öffentlichkeit davon, dass sein Forscherdrang ungebrochen war, und in seinen Briefen schwang er sich zu entsprechenden Begeisterungsbekundungen auf. Doch auf die Menschen seiner nächsten Umgebung wirkte er nach wie vor verloren und ohne Ziel.
    Diese Wochen lehrten ihn, was Warten heißt. Seine Gedanken weilten ständig auf dem Meer, reisten mit seinem Brief nach Madeira, suchten nach einem Wind, der ihre Rückkehr beschleunigen würde. War die Fahrt ruhig verlaufen, musste sie seinen Brief jetzt in Händen halten. Oder jetzt. Oder jetzt. Er versuchte sich vorzustellen, was sie empfinden würde, wenn sie das Siegel erbrach und seine Worte las. Was würde sie von ihm denken? Wie konnte sie ihn noch achten, wenn er sie so im Stich ließ? Und wenn er nach Island aufbrach, bevor sie zurückkam, würde das seine Sünde um ein Hundertfaches steigern. Teils sehnte er sich danach, sie möge eintreffen, ehe er aufbrach, teils erleichterte ihn der Gedanke an Flucht.
    Statt Pläne zu schmieden, gab er dem Drängen seiner Jugendfreunde nach, jener Freunde, die sich in der Stadt und ihren Clubs auskannten. Als Solander das nächste Mal bei ihm vorsprach, war er nicht zu Hause; man hatte ihn schon seit dem Vorabend nicht mehr gesehen. Der Grund seiner Abwesenheit wurde deutlich, als er am Nachmittag zwischen zwei Dienern hängend vor seiner Tür erschien, fast besinnungslos und zum ersten Mal seit Wochen unbekümmert darum, wo er sich befand und warum er dort war.
     
    Ihre ersten Tage auf Madeira vergingen in fortwährendem Staunen. Sie stand früh auf, verließ bei Tagesanbruch das Haus und machte sich auf den Weg in die Berge. Dort folgte sie den levadas , den einstigen Bewässerungskanälen, die sich um die Hügel schlängelten, bis zu der Stelle, an der sie am Tag zuvor gearbeitet hatte. Die ersten beiden Tage hatte der Hausbursche ihr bestimmte Pfade gezeigt, doch jetzt fand sie ihren Weg allein, zwischen Mangos und Bananen und unter Zimtbäumen hindurch. Sie skizzierte Blumen und Blätter, die sie nie zuvor gesehen hatte, und nach langen Stunden des Wanderns und Zeichnens ließ sie sich im Schatten nieder, blickte aufs Meer hinaus und verzehrte ihren Proviant. Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel, und oft schlummerte sie ein wenig, eingelullt vom betäubenden Duft des Nachmittags und dem Glockengeläut der Ziegen, die auf den Hängen über ihr weideten.
    Am fünften Morgen wagte sie sich in die Stadt, die eben erst erwachte. Die Luft war noch kühl, aber die Sonne lag schon warm auf ihrer Haut. Die stillen Straßen erfüllten sie mit Ruhe. Sie kam an einer Schreinerei vorbei, in der bereits ein Mann arbeitete. Er sang dazu, ohne Worte, tonlos fast, traurig und zugleich voller Leben. Ein Stück weiter drangen aus einem Fenster Violinklänge, als übte in dem Haus ein Kind. Wie die Melodie des Mannes schienen auch diese Töne wie geschaffen für die leeren Straßen und die Morgenkühle.
    Diese so vollkommenen Tage endeten freilich mit der Pein des Abendessens. Außer Maddox und Dunivant begegnete sie dort auch anderen, Mitgliedern der englischen Gemeinde, die dem neuen Gast ihre Aufwartung machen wollten. Alle erkundigten sich nach Banks, und in ihrer Aufregung verwickelte sie sich in Widersprüche. Einige gingen in dem Glauben wieder fort, dem unbeholfenen Mr. Burnett sei bereits eine Stelle bei Banks sicher, andere, er kenne ihn kaum. Maddox beobachtete amüsiert, wie sie sich wand, und von Zeit zu Zeit griff er ein und lenkte das Gespräch geschickt in eine andere Richtung.
    Am siebten Tag wurde sie beim Zeichnen gestört. Sie war zu ihrem Lieblingsplatz gegangen und arbeitete an einer Studie von Guavenblättern. Es ging gegen Mittag, und die Luft war von der Hitze bereits schwer und unbewegt. Jenseits des Schattens gleißte das Licht, und ihr Platz am Ufer eines Bachs erschien ihr wie eine

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