Die Pflanzenmalerin
kommen.« Er führte sie durch die Menge zu einer wartenden Kutsche und sprang hinter ihr auf. »Ihre Taschen, sie kommen«, sagte er tiefernst, dann ergriff der Kutscher die Zügel und manövrierte sie durch das chaotische Gewühl.
Der Kutscher, ein Mann um die fünfzig, hatte das Gesicht der Sonne wegen zu einem Lächeln verzogen. Hatte sie Neugier in seinen Augen aufblitzen sehen, als er sie mit einem Nicken grüßte? Bemerkte jemand ihre schlanke Gestalt? Es kümmerte sie schlichtweg nicht. Sie war damit beschäftigt, eine ganz neue Welt in sich aufzunehmen.
Als sie die Hafengegend hinter sich ließen, zeigte der Kutscher auf einzelne Gebäude. »Igreja«, sagte er. »Kirche. Santa Clara.« Ihr Blick folgte seinem ausgestreckten Arm, sie sah Dächer und einen Turm zwischen Bäumen, dann waren sie auch schon vorbei. Je weiter sie sich vom Meer entfernten, desto spärlicher wurden die Häuser, und sie verlor sich im Anblick des üppigen Grüns einer unbekannten Landschaft. Überall gab es Bäume jeglicher Art, und darüber sah sie, klarer jetzt, die Berge. Überschwängliche Freude wallte in ihr auf, als sie daran dachte, dass sie schon morgen dort würde umherwandern können. Es grenzte an ein Wunder.
Die Benommenheit des Staunens und all der Aufregung half ihr über die Ankunft in dem Haus hinweg, in dem sie wohnen sollte. Lange vorher schon war die Straße holprig und zerfurcht gewesen, und sie war erschrocken, als der Kutscher plötzlich in einen schmaleren Weg einbog, an dessen Ende, von Bäumen beschattet, ein hübsches steinernes Landhaus stand. Eine füllige Frau wartete davor. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab, nickte einen raschen Gruß und kam dann lächelnd auf sie zu. Es war Mrs. Drake, die Witwe eines Weinhändlers aus Bristol, ihre Gastgeberin während ihres Aufenthalts auf der Insel. Während die Kutsche zum Stehen kam, setzte sie, sich noch immer die Hände abwischend, zu einer komplizierten Begrüßungsrede an. Als sie das Gesicht der Gestalt sah, die nun ausstieg, hielt sie einen Moment inne.
Banks’ Entschluss, sich von der Expedition zurückzuziehen, löste eine Sensation aus. Seiner ganzen Truppe - Solander, Zoffany und den anderen - blieb wenig anderes übrig, als ebenfalls zurückzutreten. Was die größte wissenschaftliche Expedition aller Zeiten hätte werden sollen, war nun nichts anderes mehr als eine Reihe leerer Kojen. Auch als in aller Eile ein Naturforscher namens Forster und sein Sohn, ein Künstler, als Ersatz angeheuert wurden, vermochte das die Tatsache nicht zu bemänteln, dass man erheblich vom ursprünglichen Konzept abgewichen war. Banks’ Kritiker sahen sich in ihrer neuerdings geäußerten Behauptung bestätigt, Banks sei allzu sehr von seinen Meinungen überzeugt und habe zu wenig Respekt vor den Älteren. Seine Freunde standen vor einem Rätsel. Sie wussten, dass er wetterwendisch sein konnte, kannten aber auch seine Entschlossenheit, seinen Ehrgeiz und die gewaltigen Hoffnungen, die er auf die Reise mit der Resolution gesetzt hatte. Dass ein paar Fuß Kabinenraum ihn veranlasst hatten, all dies aufzugeben, erschien ihnen unerklärlich. Selbst wenn sein Stolz verletzt war, sah ihm eine solch tödliche Unbeugsamkeit doch wenig ähnlich. Für alle jene, die mit ihm hätten reisen sollen, bedeutete sein Entschluss den Verlust beträchtlicher künftiger Einnahmen, und auch viele andere mussten erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen. Sie fanden sich in flüsternden Gruppen zusammen und schüttelten die Köpfe.
Nicht weniger verwirrte sie Banks’ eigene Reaktion auf seine Entscheidung. Sie hatten erwartet, dass er sich kämpferisch zeigen würde, robust und voller neuer Pläne. Vorräte und Ausrüstung standen bereit. Es war doch wohl noch etwas zu retten? Doch Banks wirkte leblos und schlaff. Der Admiralität begegnete er mit Bitterkeit, dem Flottenamt mit Rachsucht, sonst aber wirkte er gedrückt und unbeteiligt. Seine Gefährten warteten darauf, dass er Pläne für die Zukunft seiner Truppe schmieden würde, aber er schien nicht über Alternativen nachdenken zu wollen.
Solander war es, der ihn schließlich herausforderte und darauf bestand, dass er zur Tat schritt. Er fand Banks in seinem Studierzimmer in der New Burlington Street, wo er schweigend aus dem Fenster schaute. Nur mit einiger Hartnäckigkeit konnte Solander ihn bewegen, ihm zuzuhören.
»Joseph, die vergangenen Wochen haben große Rückschläge für Ihre Pläne gebracht, aber es
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