Die Pflanzenmalerin
Mrs. Drake ihren neuen Logiergast den beiden anderen englischen Besuchern vor. Sie befanden sich in dem lang gestreckten Speisezimmer des Hauses. Die grünen Tapeten zeigten helle englische Muster, und gegen die Fenster drängten Hitze und Laubwerk an. Es war noch hell, als sie Platz nahmen, und so konnten die drei einander ohne Schwierigkeit mustern. Mr. Dunivant aus Bristol war ein lauter, rotgesichtiger Kaufmann Mitte fünfzig, der unter anderem mit Madeirawein handelte. Der schlanke, gut aussehende Mr. Maddox war wesentlich jünger. Sein forschender Blick verweilte lange auf dem neuen Gast, und als er sprach, lächelte er träge.
»Willkommen auf Madeira, Mr. Burnett. Sie sind Botaniker, wie ich höre?«
»Amateur, Sir. Ich möchte hier einiges von der Flora der Insel zeichnen und malen.«
»Ich wüsste zu gern, was daran von Interesse sein kann«, unterbrach Mr. Dunivant. »Nicht wenige junge Burschen interessieren sich für solche Dinge, aber ich sehe nicht, was es ihnen einbringt.«
Mr. Maddox lächelte höflich. »Verdankt der erfolgreiche Anbau Ihrer Reben nicht vieles den Beobachtungen jener, die sie über Jahre studiert haben?«
»Oh, durchaus. Ich glaube es zumindest. Ich habe auch nichts gegen Studien, solange es angewandte Studien sind, verstehen Sie? Aber in den Dingen herumzustöbern, die zwischen Hecken und dergleichen wachsen, trägt doch wohl nicht wesentlich zum Fortschritt der Menschheit bei, oder, Mr. Burnett?«
Sie zögerte, und Mr. Maddox antwortete für sie.
»Sind nicht sehr viele unserer Arzneien ein Ergebnis ebendieses Herumstöberns, Sir?«
Dunivant dachte darüber nach und nickte, den Mund voll Brot.
»Da ist was dran«, sagte er und schluckte hinunter. Maddox nutzte die Gelegenheit und wandte sich an den Neuankömmling.
»Mrs. Drake sagt, Sie wollen sich Mr. Banks’ Mannschaft anschließen und mit Cook in die Südsee reisen?«
»Ja, das ist meine Absicht.«
Maddox überlegte. »Das überrascht mich ein wenig, muss ich gestehen. Mein Cousin ist ein Freund von Banks, und soweit ich verstanden habe, wurde die gesamte Mannschaft in London zusammengestellt. Springen Sie als Ersatzmann für jemanden ein?«
Sie errötete.
»Vielleicht habe ich Ihnen einen falschen Eindruck vermittelt, Mr. Maddox. Ich sagte, es ist meine Absicht, mich ihm anzuschließen, aber vielleicht hätte ich es besser eine Hoffnung nennen sollen. Ich kenne Mr. Banks nur wenig, hoffe aber, dass sich bei seiner Ankunft auf Madeira eine Gelegenheit ergeben wird, ihm meine Dienste anzubieten.«
Maddox schwieg einen Moment. Dann antwortete er leichthin und ungezwungen: »Verstehe. Kein Problem. Mrs. Drake muss sich geirrt haben. Sie sagte mir, Sie seien ein guter Freund von Banks. Ich habe mich gewundert, dass ich Sie gar nicht kenne, denn ich bin oft mit ihm zusammen.«
»Da hat sich Mrs. Drake geirrt, fürchte ich. Tatsächlich kenne ich Mr. Banks kaum. Er war so freundlich, mir ein Kompliment zu meiner Arbeit zu machen, das ist alles.«
Ehe Mr. Maddox antworten konnte, schaltete sich Mr. Dunivant wieder ein. »Der Mann ist, wie ich höre, kein Kostverächter, was die Damen anbelangt. Darin hat sich ihm doch hoffentlich keiner von Ihnen angeschlossen?«
Sein schallendes Gelächter erlaubte es ihr, sich wieder zu sammeln, und bevor das Gespräch fortgesetzt werden konnte, kam Mrs. Drake mit drei Bedienten im Schlepptau geschäftig hereingeeilt, um den ersten Gang aufzutragen. Dunivant, hocherfreut darüber, dass man ihm das Feld überließ, erzählte nun eine Anekdote nach der anderen über die Faulheit der Inselbewohner, bis das Mahl fast beendet war. Als er verstummte, um sich einem Glas Malmsey zuzuwenden, war es Nacht geworden. Der Raum wurde von Kerzen erleuchtet. Von Zeit zu Zeit strich ein warmer Windhauch vom Fenster her über den Tisch und ließ die Flammen flackern. In diesem unbestimmten Licht wandte sich Maddox wieder an sie.
»Wie ich höre, Mr. Burnett, soll Mrs. Drakes Bursche Sie morgen in die Berge führen?«
»So ist es, Sir. Nach einiger Zeit werde ich jedoch, wie ich hoffe, keinen Führer mehr brauchen.«
»Vielleicht begegnen wir uns dort. Ich kümmere mich hier auf der Insel um gewisse Geschäfte meines Vaters, aber ich muss gestehen, ich bin ein fauler Kerl. Oft vernachlässige ich meine Pflichten und mache stattdessen einen Spaziergang in die Hügel.«
»Vielleicht.« Sie nahm sich vor, weit und hoch hinauf zu wandern.
»Das wäre schön«, erwiderte er leise. »Ich würde Ihnen
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