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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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das Metallband direkt um den Handgelenkknochen schnürte, wo naturgemäß Endstation war. Die rechte, etwas losere Schlaufe hatte nun so viel Spiel, dass sie über sein vom Blut bereits glitschiges Handgelenk glitt, bis sie über die Knöchel hinweg war. Alles darunter könnte hindurchgezwängt werden, wenn auch nur mit knapper Not, denn die Schlaufe war trotz allem so eng, dass sie immer noch tief einschnitt. Links und rechts außen an seiner Hand schürfte sie über die Knochen und schälte das Fleisch dort ab, wie ein Messer, das Fleisch von einem Hühnchenschenkel schält. Wenn es eine Grenze für körperlichen Schmerz gab, war sie jetzt erreicht.
    Ein letzter Ruck, und die Schlaufe flutschte ihm von der Hand. Sein plötzlich freier linker Ellbogen versetzte Paige einen Stoß, und sie wandte sich um und sah ihn mit immer noch geröteten, tränennassen Augen an. Hastig sah er sich nach den Bewachern um. Der eine schaute weiter in den Flur hinaus, der andere war noch immer in die Aufzeichnungen auf der Tafel vertieft.
    Travis zog seine Hände nach vorne. Die Rechte sah sogar noch übler aus, als sie sich anfühlte. Haut und Muskeln hingen in dicken Fetzen herunter, aus den Wunden strömte und quoll das Blut.
    Es war ein so grässlicher Anblick, dass Paige bestürzt die Augen aufriss. Dann aber hatte sie sich sofort wieder im Griff und sah ihn fragend an. Was er jetzt vorhatte, konnte er ihr unmöglich erklären. Am besten dachte er selbst nicht lange darüber nach, sonst würde er noch zu dem Schluss kommen, dass es eine miese Idee war. Es war auch eine miese Idee, aber mangels Alternative die einzige, die in Betracht kam.
    Er spähte noch einmal zu den Bewachern. Beide schauten noch immer nicht her. Er ließ sich auf alle viere hinab und kroch auf den Rucksack zu, heilfroh, dass er keine Schuhe trug, die über den Boden hätten scharren können.
    Jetzt noch auf die Bewacher achtzugeben war sinnlos. Falls er mitbekam, dass sie sich zu ihm umwandten, könnte er ohnehin nichts mehr tun. Dann wäre die Sache gelaufen.
    Stattdessen konzentrierte er sich ganz auf den Rucksack und darauf, so schnell und so lautlos wie möglich auf ihn zuzukriechen.
    Er kam bei dem Rucksack an. Öffnete mit seiner weiter heftig blutenden Hand ganz behutsam den Reißverschluss, bis die Öffnung groß genug war, um hineinzugreifen. Er tastete im Inneren herum, bis er den gesuchten Gegenstand fand, umfasste ihn mit seiner zerfetzten Hand, zog ihn heraus und stand dann vom Boden auf. Die beiden Bewacher standen etwa drei Meter voneinander entfernt, gut sechs Meter vor ihm. Beide mit um die Schulter geschlungenem Gewehr, mit dem sie innerhalb von zwei Sekunden das Feuer eröffnen konnten.
    «Ich habe Sie beide im Visier.» Travis’ Stimme hallte laut durch den großen Raum.
    Die Bewacher fuhren erschrocken herum und sahen ihn mit dem Sanitäter in der Hand vor sich stehen. Der von einer Pistole kaum zu unterscheiden war, nicht mal aus der Nähe. Und sie waren ein ganzes Stück von ihm entfernt. Keiner der beiden versuchte auch nur, nach seinem Gewehr zu greifen. Wofür es noch einen anderen Grund geben musste als den offenbar überzeugenden Bluff mit dem Sanitäter.
    Pilgrim legte also wirklich großen Wert darauf, dass er am Leben blieb. Das wussten die beiden. Die Unschlüssigkeit stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
    «Ein Schuss macht zu viel Lärm, das Risiko will ich lieber nicht eingehen», sagte Travis. «Sonst wären Sie jetzt schon tot. Waffen runter, dann passiert Ihnen nichts.»
    Die Bewacher wechselten einen Blick, zögerten noch einen Augenblick lang. Dann gehorchte der Mann an der Tür, nahm langsam sein Gewehr von der Schulter und bückte sich, um es auf den Boden zu legen. Der andere folgte seinem Beispiel.
    Travis deutete auf den Boden vor sich. «Rüberschie ben .»
    Beide schoben ihre Gewehre hinüber, bis sie dicht vor ihm lagen.
    «Jetzt legen Sie sich auf den Boden», sagte Travis. «Mit seitlich weggestreckten Armen.»
    Kurz darauf lagen sie mit dem Gesicht nach unten vor ihm auf dem Boden wie aufgespießte Insekten. Travis überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Schießen wollte er tatsächlich nicht. Unmöglich zu sagen, wo sich der nächste Feind aufhielt und wie weit das Geräusch von Schüssen zu hören sein würde.
    Er legte den Sanitäter beiseite, hob eins der Gewehre auf und ging auf die beiden zu, so lautlos, dass sie nichts davon mitbekamen. Direkt vor ihnen blieb er stehen, drehte das Gewehr herum und

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