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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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erfolgte der Aufprall. Mit einem Krachen, so laut wie der Knall einer Handgranate, schlug etwas auf dem Dach der Aufzugkabine auf.
    Es war ein Geräusch, das jede Hoffnung auslöschte. Heiße Tränen schossen ihr in die Augen, die aber ihren Schmerz kein bisschen linderten.
    Stimmen im Flur. Die Männer kehrten zurück. Lachten über irgendetwas. Sie wischte sich die Augen am Stoff der Jeans an ihren Knien ab und blickte hoch, als sie wieder in den Raum kamen. Sie schleppten Travis’ Leichnam herein, ein Mann an jedem Körperglied, und ließen ihn direkt vor Paige auf den Boden fallen.
    Travis’ leblose, ein wenig verdrehte Augen waren mehr oder weniger auf sie gerichtet, und sein Kopf war an der Seite stark eingedrückt.
    Sie riss sich mit aller Macht zusammen, um vor ihren Leuten keine Schwäche zu zeigen. Um Pilgrims Männern die Genugtuung vorzuenthalten.
    Aber es gelang ihr nicht. Sie schrie und kreischte wie von Sinnen.
     
    Als sie sich wieder im Griff hatte – ein wenig zumindest   –, merkte sie, dass Pilgrims Leute noch immer vor ihr standen. Und sie anschauten. Nein, falsch. Ihre Blicke waren auf die Stelle neben ihr gerichtet, wo vorhin noch Travis gesessen hatte, gefesselt wie alle anderen. Diese Stelle schauten sie an, und seine Leiche, die dort jetzt am Boden lag.
    Sie wirkten erschrocken, ängstlich.
    Als wäre ihnen gerade erst klargeworden, wen sie da umgebracht hatten. Den Mann nämlich, der auf ausdrückliche Anordnung ihres Chefs auf jeden Fall am Leben bleiben sollte, warum auch immer.
    «Was erzählen wir jetzt Pilgrim?», fragte einer mit dumpfer Stimme.
    Der Anführer, der kräftigste der Männer, schüttelte den Kopf. «Nichts. In einer Stunde wird er Zugriff auf das Primärlabor haben. Dann ist er glücklich, vielleichtso glücklich, dass er uns für den Mist hier nicht einen Kopf kürzer macht.»
    Drei Mann blieben zur Bewachung zurück, die beiden anderen verließen den Raum.

39
    Von der Scheune oben an der Erdoberfläche war nichts mehr übrig. Wände und Dach waren von derselben Explosion zerstört worden, die auch das Dach des Aufzugschachtes aufgerissen hatte. Ein fußballgroßer Klumpen C 4-Sprengstoff vermutlich, abgeworfen von einem von Pilgrims Leuten, während sie an Fallschirmen hinabgeschwebt kamen.
    Im kühlen Zwielicht der ersten Morgendämmerung stand Travis neben dem klaffenden Loch im Beton, um sich herum nichts als Wüste. Zu seiner Linken lagen, im weiten Umkreis verstreut, die alten Autoteile, die an der Rückseite der Scheune gelehnt hatten. Lediglich eine äußerst robuste Ladestation für die Elektromotoren der Geländefahrzeuge hatte der Explosion widerstanden. Zwei der drei Fahrzeuge waren zerstört worden, das dritte jedoch, das auf der Rückseite der Station eingestöpselt war und gerade lud, war von der Druckwelle verschont und unversehrt geblieben.
    Die vielen merkwürdigen Erlebnisse der letzten Tage waren soeben noch einmal übertroffen worden. Was einem beim Anblick einer perfekten Kopie des eigenen Körpers so durch den Kopf ging, war mit dem Begriff
Replikat
nur unzulänglich zu erfassen. Weil es sich ja,recht besehen, nicht um ein Replikat gehandelt hatte. Er selbst hatte dort auf dem Boden gelegen. Bis ins letzte Atom er selbst.
    Bloß tot.
    Das einzig, nun ja, Gute an der Sache: Hatte man erst einmal den Schock verdaut, in die glasigen Augen des eigenen Leichnams zu schauen, kostete es kaum noch Überwindung, den leblosen Körper gleich darauf über die Kante eines Aufzugschachtes zu stoßen.
    Er steckte den Verdoppler zurück in den Rucksack. Dann öffnete er den schwarzen Kunststoffbehälter, griff hinein und machte nach kurzem Herumtasten den Anzug ausfindig.
    Er lächelte.
    Das würde spaßig werden. Sicher, Paige hatte ihm eingeschärft, per Telefon Hilfe herbeizurufen, aber das konnte er sich jetzt sparen. Was er hier in seinen Händen hielt, war Hilfe genug. Er müsste bloß den Anzug überstreifen und wieder nach unten klettern, dann könnte er Pilgrim und seine Leute einen nach dem anderen umbringen.
    Er hatte das Oberteil bereits halb über die Schultern gezogen, als ihm ein Gedanke kam. Er hielt inne.
    Entsprach das etwa der Absicht des Flüsterns? War das in seinem Plan vorgesehen? Saß er immer noch auf dem Pferd, das ihn schnurstracks nach Samarra trug?
    Fünf Sekunden stand er reglos da, umgeben vom Sirren und Zirpen der Nachtinsekten in der Wüste.
    Dieser Schritt war logisch und sinnvoll.
    Womöglich aber lag gerade hier das

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