Die Pforte
Momentan befand es sich, sicher verwahrt, in seinemkleinen Behälter. Momentan hielten alle in Border Town, die Guten und die Bösen, ihn für tot. Und deshalb bestand jetzt die Gelegenheit, den einen Gegenstand auf Erden ausfindig zu machen, vor dem das Flüstern sich anscheinend fürchtete. Warum sonst hätte es all die Menschen umbringen lassen, die auf die Entwicklung dieses Geräts hingearbeitet hatten? Viel Lärm um nichts? Wohl kaum.
«Es gibt noch eine andere Option», sagte Travis.
Als Nächstes käme er um eine Lüge leider nicht herum. Zumindest eine halbe Lüge. Sonst würde der Präsident nie darauf eingehen.
«Ich höre», sagte Garner.
Travis erzählte ihm von Lauren. Und von dem Quantencomputer. Dann sagte er: «Wir wissen, wo er sich befindet.» Das war die halbe Lüge. Von einem
Wir
konnte nicht die Rede sein, es gab nur ihn.
Er
wusste, wo sich der Computer befand. War sich zumindest so gut wie sicher, es zu wissen.
«Wo denn?», fragte Garner.
Travis erklärte ihm seine Überlegung. Woraufhin der Präsident wieder eine Zeit lang schwieg.
«Das Tangent-Kommando befindet sich noch auf Grand Cayman», sagte Garner schließlich. «Die Leute könnten das Haus in etwa zehn Minuten erreichen, schätze ich. Dann werden sie weitere zehn Minuten brauchen, um die von Ihnen dargelegten Schritte in die Tat umzusetzen. Wenn wir dieses Risiko eingehen und nichts dabei herauskommt, haben wir auch die nukleare Option verloren. Sobald die Abwehranlagen von Border Town wieder aktiviert sind, können sie eine Interkontinentalrakete schon aus weiter Ferne ausschalten.»
Travis dachte nach. Wog sorgsam die unterschiedlichen Folgen ab, die sich ergeben konnten.
Garner sagte: «Ich brauche eine hundert Prozent ehrliche Antwort, Mr. Chase. Wie viel Vertrauen setzt Tangent in diese Idee?»
Travis entschied sich für eine Antwort, die zu neunundneunzig Prozent ehrlich war. «Einen besseren Plan gibt es nicht, Sir.»
41
Travis konnte alles auf dem Display von Paiges Handy verfolgen, das mit der Kamera am Headset des Kommandoführers auf Grand Cayman verbunden war; sein Name, Keene, stand in winzigen Buchstaben links unten im Bildfeld. Nach einer Fahrt in halsbrecherischem Tempo über die Küstenstraße, vorbei an der im Sonnenschein türkisblau funkelnden Karibischen See, war das Team nach knapp zehn Minuten beim Haus angelangt, wie vom Präsidenten veranschlagt.
Im Osten Wyomings dagegen war die Sonne noch nicht aufgegangen. Im Dämmerlicht setzte Travis sich neben das einundfünfzig Stockwerk tiefe Loch im Boden auf den Beton und beobachtete, wie das Kommando zweitausend Meilen von ihm entfernt das Anwesen betrat und nach einer halben Minute bei dem Maschinenschuppen neben dem Swimmingpool angelangt war.
«Sie meinen also, hier werden wir fündig, ja?», sagte Keene mit breitem texanischen Akzent. So ein Typ offenbar, der in seiner Jugend noch Vieh mit dem Lasso eingefangenhatte und dann später Leitsysteme für Marschflugkörper entwickelte. Und heute vermutlich immer noch Vieh mit dem Lasso einfing, nur zum Spaß.
«Das werden wir bald wissen», sagte Travis.
Einer der Kommandoangehörigen entdeckte ein schweres, gut einen halben Meter langes Brecheisen mit auffällig gebogenem Ende an der Wand, das offenbar dazu diente, etwas Spezielles aufzustemmen. Der Mann stellte sein Gewehr beiseite, nahm seine elektronische Ausrüstung ab und tauchte mit dem Brecheisen in der Hand in den Pool hinab. Durch Keenes Headset sah Travis, wie der Mann eine Platte am Boden des Beckens hochstemmte, unter der ein Abfluss zum Vorschein kam, und dann am Beckenrand wieder auftauchte.
Der Pool leerte sich innerhalb weniger Minuten. Offenbar waren die Abflussrohre ebenso überdimensioniert wie das Röhrensystem zur Befüllung des Pools; ein System, das etwa fünfmal so schnell und leistungsstark war wie vergleichbare Systeme, die sonst bei Swimmingpools üblich waren. Wer kam auf die Idee, sich ein System zu leisten, mit dem der Pool innerhalb einer Stunde befüllt werden konnte?
Jemand, der etwas darunter verborgen hatte.
Keene und die anderen kletterten auf der Leiter hinab auf die nassen Steinfliesen des leeren Pools. Travis konnte über die Kamera verfolgen, wie Keene seinen Blick langsam über die Fliesen gleiten ließ, auf der Suche nach gewissen untrüglichen Anzeichen. Nach kurzer Zeit verharrte das Bild bei einer speziellen Fliese.
«Der Mörtel in den Fugen hier ist anders», sagte Keene.
Was Travis selbst auf
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