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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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Gewebe selbst innewohnte. Auch jetzt wieder spürte er, wie der Anzug sich langsam seinen Körperformen anschmiegte, bis er kaum noch merkte, dass er ihn überhaupt trug. Der Nachweis, dass in den Anzug tatsächlich Intelligenz eingearbeitet war, wäre natürlich kaum überraschend. Das wäre auch nicht seine erstaunlichste Eigenschaft. Bei weitem nicht.
    Karl spähte durch den Türspion in den Flur, stellte fest, dass die Luft rein war, und trat aus dem Zimmer. Er ging an den Aufzugtüren vorbei und entschied sich fürs Treppenhaus; Aufzüge kamen selbstredend nicht in Frage. Fünf Stockwerke tiefer schaute er durch das kleine Fenster in der Tür, die in die Lobby führte. Sie war menschenleer, bis auf zwei junge Frauen an der Rezeption, zehn Meter von ihm entfernt.
    Natürlich war es nicht optimal, in ihrem Beisein durch die Tür zu treten, aber die Vorschriften erlaubten es, zumal es keine andere Möglichkeit gab. Er stieß die Tür auf und trat hindurch. Ganz wie erwartet, schauten die jungen Frauen beim Geräusch der sich öffnenden Tür hoch, sahen erst unbeteiligt, dann verwirrt drein und wechselten schließlich ratlose Blicke. Während Karl direkt an ihnen vorbeiging, schauten sie weiter zur Tür, die jetzt, weit hinter ihm, mit einem leisen Klicken zufiel.
    «Ah   … ja», sagte die Ältere der beiden.
    Die andere schüttelte nur den Kopf und wandte sich wieder ihrem halb fertiggestellten Sudoku zu.
    Karl hätte durch den Haupteingang hinausspazieren können, direkt vor ihren Augen, doch da es noch eine andere,unauffällige Möglichkeit gab – den Hinterausgang, in weniger als einer Minute zu erreichen, um die Ecke herum und den Gang hinunter   –, musste er, so wollten es die Vorschriften, diese nutzen. Im Grunde liefen die Regeln für die Benutzung des Anzugs auf eine einfache Formel hinaus: Mach keine Dummheiten damit.
    Am Hinterausgang angelangt, stieß er, allein auf weiter Flur, die Tür auf und trat hinaus in den kühlen New Yorker Morgen.
    Auf dem Grand Central Parkway herrschte, selbst um diese frühe Uhrzeit, so viel Verkehr, dass Vorsicht angebracht war. Er passte eine Gelegenheit ab und spurtete dann über die fünf Fahrbahnen, die nach Osten führten. Gleich darauf hatte er auch die Fahrbahnen in der Gegenrichtung überquert, kletterte über den Zaun und stand dann auf dem weitläufigen Gelände des Flughafens LaGuardia. Im Osten zeichneten sich die Umrisse der Terminals und Flugzeuge vor dem roten Himmel ab wie eine fremdartige Festung.
    Er marschierte über die Landebahn vier, überquerte zwei Zubringerstraßen und ging dann um das zentrale Terminalgebäude herum, bis er zum Eingang der Flughafenhalle D kam.
    Vor den Schiebetüren blieb er stehen; das elektronische Auge darüber konnte ihn ebenso wenig sehen wie der verschlafene Wachmann, der neben dem Eingang postiert war. Egal, er würde ohnehin warten, bis jemand anderes den Mechanismus der Tür auslöste. Gerade an Flughäfen durfte man nicht übermütig werden. Hier machte man besser keine Dummheiten.
    Schon nach einer halben Minute stieg ein übermüdet wirkender Geschäftsmann aus einem Taxi und trottetedurch den Eingang. Karl folgte dem Mann in die Halle, bog nach links ab und spazierte an den spärlichen Warteschlangen von morgendlichen Reisenden an der Gepäckannahme vorbei. Von hier an ging alles sehr leicht. Die Sicherheitskontrolle, schon ohne Anzug der reinste Witz, mutierte zu einer Art Hindernisparcours auf Kindergartenniveau. Er stieg links auf die Barriere zwischen den Laufbändern der Metalldetektoren, schlenderte lässig an dem ganzen Spuk vorbei und kletterte nach sechs Metern am hinteren Ende wieder auf den Boden hinunter.
    Die Halle selbst hätte bei lebhafterem Betrieb knifflig für ihn werden können. Menschenmengen, und waren sie noch so überschaubar, waren ein logistischer Albtraum; die Leute rannten ihn förmlich über den Haufen, wenn er sich nicht in Acht nahm. Um diese Uhrzeit aber war der breite Durchgang fast menschenleer, abgesehen von den Reisenden, die sich ganz hinten an Gate 7 versammelt hatten, seinem Ziel.
    Dort angelangt, prüfte er zunächst sorgfältig die Lage. Wo sollte er sich hinstellen? Dieser Platz hier ging auf keinen Fall. Hier würden aus beiden Richtungen ständig Leute kommen und gehen, und auch die Bewegungen derer, die hier bereits warteten, wären unberechenbar. Schlimmer noch, hier liefen zwei kleine Kinder herum und spielten Fangen; ihre Mutter war völlig in ein Taschenbuch

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