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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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er sich ihren letzten Satz in all seiner Tragweite durch den Kopf gehen ließ.
    Paige richtete sich wieder auf. «Tun Sie mir einen Gefallen. Was die beiden Typen aus dem Flugzeug geholt haben, sieht aus wie ein drei Zentimeter langer Streifen Tesafilm. Es ist sehr wichtig. Das ist der Schlüssel, mit dem das Flüstern angeschaltet wird. Sie werden ihn jetzt bei sich haben. Holen Sie ihn, während ich das Ding an einer Stelle vergrabe, wo ihre Verstärkung es nicht finden kann.»
    «Nehmen wir es nicht mit?», fragte Travis.
    «Das würden wir nicht überleben. Ohne Schutzbehälter ist das Flüstern zu gefährlich. Aber den Schlüssel können wir mitnehmen. Jetzt kommt es nur darauf an, dass nicht beides in die Hände dieser Leute gerät. Und dass wir so bald wie möglich Kontakt zu Tangent aufnehmen.»
    Dann drehte sie sich um und verschwand, mit dem Flüstern und der Schaufel in der Hand, zwischen den Bäumen am Rande der Lichtung.
    Travis sah ihr kurz nach und horchte auf das Geräusch ihrer sich entfernenden Schritte auf dem Waldboden. Dann machte er sich auf den ziemlich weiten Weg zu den beiden Quads. Er hatte das Lager kaum verlassen, als er hinter sich das Satellitentelefon der Feinde klingeln hörte.
     
    Eine Stunde später hatten sie bereits zwei Täler hinter sich gelassen und rasten auf der langen, gewundenen Strecke nach Norden, die er eilig festgelegt hatte. Paige saß auf dem Quad vor ihm, geborgen zwischen seinen Armen, während er den Lenker festhielt. Als sie ihren Aufbruch vorbereiteten, war sie beständig matter geworden – weil die Wirkung des Mittels, das ihr von ihrem Peiniger injiziert worden war, nachließ, erklärte sie. Sicherlich auch, weil sie drei Tage lang keine Sekunde geschlafen hatte. Travis konnte ihre Augen zwar nicht sehen, aber zwischendurch erschlaffte ihr Körper immer wieder und sackte gegen ihn, bis sie sich wieder wach rappelte.
    Wie lange es dauern mochte, bis die Verstärkung der Feinde im Lager eintraf, war fraglich, doch dort würde ihnen sofort auffallen, dass eins der Quads fehlte. Dann würde ein Blick auf die Karte genügen, um festzustellen, in welche Richtung ihre Beute zweifelsfrei unterwegs war. Coldfoot war die einzige Anlaufstelle weit und breit und nur über einige wenige Routen zu erreichen.
    Travis achtete darauf, mit dem Quad nur über steinigen Boden zu fahren, um keine Reifenspuren zu hinterlassen, und mied aus diesem Grund auch verschneite Flächen, so gut es eben ging.

9
    Schwarze Nacht über LaGuardia. Am Horizont die Morgenröte, kirschrot wie ein glühender Draht. Von seinem dunklen Hotelzimmer aus beobachtete Karl, wie die Weltzum Leben erwachte. Im Fensterglas starrte ihm sein Spiegelbild entgegen, erhellt vom seitlich einfallenden Badezimmerlicht. Nur ein Auge war zu sehen. Es war kalt und blau.
    Noch fünfundzwanzig Minuten bis zum Start. Er hatte alle Zeit der Welt. Ihn konnte niemand zwingen, in einer Schlange zu warten.
    Nicht, wenn er den Anzug trug.
    Er lag in zwei Teilen auf dem Stuhl neben ihm. Er tastete nach der unteren Hälfte, setzte sich aufs Bett und streifte sie sich über die Jeans, bis er merkte, wie die Füßlinge, ähnlich wie bei einem Kinderschlafanzug, sich um seine Schuhe schmiegten. Er fand die Träger, zog sie sich über die Schultern und zurrte sie fest. Dann tastete er auf dem Stuhl nach der oberen Hälfte und streifte sie über, während er vom Bett aufstand. Er strich sie sorgfältig glatt; sie war so lang, dass sie die untere Hälfte um über dreißig Zentimeter überlappte. Trotz seiner Erfahrung musste er sich auch diesmal erst wieder kurz an das Gewebe gewöhnen, das so anders war als alles, was er je am Leib getragen hatte. In gewisser Weise erinnerte es an Lycra, denn es umschmiegte hauteng jeden Teil seines einen Meter fünfundachtzig großen Körpers, zugleich aber fühlte es sich auch beinahe lose an – ein besserer Ausdruck dafür wollte ihm zumindest nicht einfallen. Obendrein war es atmungsaktiv und wog so gut wie nichts. Einmal hatte er den Anzug volle achtundvierzig Stunden lang getragen, ohne die geringsten Beschwerden, auch nicht am Kopf und an den Händen, die ebenfalls von dem Gewebe umschlossen wurden. Er hatte seine Auftraggeber zwar nie dazu befragt – wobei ohnehin fraglich schien, ob sie von der Funktionsweisedes Anzugs mehr verstanden als er, zumal in Anbetracht seiner Herkunft   –, war aber davon überzeugt, dass der passgenaue Sitz des Anzugs auf einer Art Intelligenz beruhte, die dem

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