Die Pforte
vertieft und forderte sie nur sporadisch und mit wenig Nachdruck auf, sich endlich hinzusetzen.
Nein, der sicherste Platz für ihn war eindeutig direkt neben der Tür zur Fluggastbrücke, hinter dem Pult des Mitarbeiters. Karl ging in weitem Bogen um die Menge herum, schlüpfte geduckt unter der Schranke hindurch und postierte sich neben der Tür. Lange würde es nichtmehr dauern, die 737 war draußen bereits angedockt. Dahinter ragte die Skyline der Stadt in den noch trüben Morgenhimmel auf wie eine Reihe von Zähnen.
Der Mitarbeiter trat an sein Mikrophon. «Meine Damen und Herren, Cayman Airways Flug 935, nonstop nach Georgetown auf Grand Cayman, boardet jetzt Reihe eins bis fünf. Reihe eins bis fünf.»
Eine Kollegin öffnete die Tür. Sobald sie beiseitetrat, huschte Karl an ihr vorbei in die Fluggastbrücke und hastete eilig durch die kühle Luft zur Flugzeugtür, um Vorsprung vor den anderen Passagieren zu gewinnen. An der Tür musste er kurz warten, weil ihm eine Stewardess den Weg verstellte. Sie spähte mitten durch ihn hindurch die Fluggastbrücke hinab, sah, dass noch niemand kam, und kehrte ins Flugzeug zurück, um etwas mit einer Kollegin zu besprechen. Karl glitt lautlos an ihr vorbei und ging in den hinteren Teil der Kabine.
An Bord einer 737 war es fast immer am sichersten, den Flug in dem kleinen Lagerraum am Heck zu verbringen. Hier war man die ganze Zeit über meist ungestört, und wenn mal eine Flugbegleiterin hereinkam, um einen Servierwagen zu holen oder abzustellen, genügte es, sich in die Nische neben dem Eisschrank zu ducken.
Das Verlassen des Flugzeugs nach der Landung war dann natürlich noch einfacher als das Einsteigen.
Karl saß am Rande der schattigen Fläche, vielleicht anderthalb Meter von dem Mädchen entfernt, das sich nackt am Pool sonnte.
Im Schutz des Anzugs, das faszinierte ihn immer wieder, hatte man die Möglichkeit, Menschen aus nächster Nähe zu beobachten, wenn diese sich völlig allein wähnten.Bevor er das zum ersten Mal ausprobieren konnte, war ihm gar nicht klar gewesen, was für einzigartige Perspektiven sich dadurch eröffneten. Wenn jemand allein war, logisch, konnte man ihm nicht Gesellschaft leisten, ohne dass der andere das merkte. Man konnte zwar eine versteckte Kamera einsetzen, aber das war nicht dasselbe.
Menschen, die allein waren, zeigten niemals irgendwelche Symptome von Unsicherheit. Keine Nervosität, kein Erröten, keine Befangenheit. Äußerst bemerkenswert: Wer sich nicht der Bewertung durch andere ausgesetzt fühlte, wurde automatisch ruhig und gelassen.
Das Mädchen war dreiundzwanzig und herzzerreißend schön. Olivenfarbene Haut. Nahtlose Bräune. Dunkelbraune Augen und sonnengebleichtes Haar. Knapp einen Meter sechzig groß und selbst klatschnass keine hundert Pfund schwer. Vor fünf Minuten noch war sie klatschnass gewesen. Karl hatte beobachtet, wie sie ihre Sachen auszog und dann in den Pool gesprungen war. Inzwischen hatte die karibische Sonne sie fast völlig getrocknet. Karl sah zu, wie die letzten kleinen Feuchtigkeitsperlchen auf ihrer Haut in der trockenen Hitze verdunsteten.
Sie hieß Lauren Cook. Ihren Namen hatte Karl zusammen mit allem Übrigen erfahren, was es über ihren Vater, Ellis Cook, zu erfahren gab.
Zurzeit hatte Lauren das große Haus samt Anwesen mit Aussicht auf die Bodden Bay und die weite, blaue Karibik im Süden, 4500 Quadratmeter alles in allem, ganz für sich. Selbstverständlich gab es noch Sicherheitsleute, die die Zugänge bewachten und mutmaßlich beim ersten Hilfeschrei zur Stelle wären. Es waren Amerikaner, echte Profis. Karl hatte sich jeden Einzelnensehr genau angesehen und war zu dem Schluss gelangt, dass es sich um ehemalige Angehörige irgendeiner militärischen Eliteeinheit handelte, wesentlich effizienter als gewöhnliche Polizisten. Abgerundet wurden die Sicherheitsmaßnahmen durch Wärmekameras und Bewegungsmelder, die in Karls Fall jedoch in etwa so nutzlos waren wie tote Attrappen.
Ein Zitronenfalter landete auf Laurens Oberschenkel. Erst zuckte sie zusammen und scheuchte mit der Hand danach, sah aber dann, von wem sie da Besuch bekommen hatte, und schaute ihm lächelnd nach, als er taumelnd davonflatterte. Da der Falter um Karl herumflog, ergab es sich, dass Lauren ihm ganz kurz direkt in die Augen schaute. Beim Anblick ihrer unschuldigen Augen überlief ihn spontan ein Frösteln. Dann ließ sie sich zurück auf die Liege sinken und schloss wieder die Augen.
Das
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