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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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kurzem Schweigen fuhr sie fort. «Die Portalsstimmen sind nur eines von zahllosen Phänomenen, bei denen wir komplett im Dunkeln tappen. Wo sie herkommen, was sie zu bedeuten haben, warum sie auf Menschen diese Wirkung ausüben – wir wissen es einfach nicht und werden es wohl auch nie erfahren. Ich denke oft an David Bryce. Einserabsolvent am MIT, vierfacher Vater, geachtet und geschätzt von allen, die ihn kannten. Er hat die Gefahrnicht erkennen können, obwohl er mit offenen Augen direkt davorgesessen hat. Manchmal habe ich die Sorge, dass dies die einzige Geschichte ist, die das Portal zu erzählen hat.»
    Sie kehrte mit ihm in den Flur zurück und ging auf den offenen Raum am Ende zu. Die Finsternis dort wollte nicht recht zu dem passen, was Travis gerade gelesen hatte, denn eigentlich hätte das Portal von hier aus zu sehen sein müssen. Ein Rätsel, das sich gleich darauf löste, als sie in die höhlenähnliche Kammer traten: Hier ragte ein wuchtiges schwarzes Gebilde in die Höhe, eine Kuppel, so hoch wie ein zweistöckiges Haus, die den Raum nahezu vollständig ausfüllte.
    Rechts unten an der Kuppel befand sich ein gewölbter Eingangstunnel, ähnlich wie bei einem Iglu. Als sie darauf zugingen, sah Travis das von Bryce geschilderte geisterhaft blaue und violette Licht, das aus dem Eingang strömte und auf die Betonwand der Kammer fiel. Ein Stück vor dem Eingang stand ein schlichter Metalltisch, auf dem Paige ihr Handy und ihre Uhr zurückließ. Travis folgte ihrem Beispiel und legte seine Armbanduhr ebenfalls dort ab.
    Statt nun direkt auf den Eingang zuzugehen, hielt sie inne und sah ihn forschend an.
    «Sie waren Polizist», sagte sie. «Detective.»
    Er nickte.
    «Waren Sie gut?»
    Er lachte schnaubend auf. «Ich war ganz und gar kein guter Polizist.»
    «Dass Sie korrupt waren, ist mir bekannt. Ich meinte aber, ob Sie gut in Ihrem Beruf waren. Hatten Sie Talent dafür, Fälle zu lösen, Dingen auf die Spur zu kommen?»
    Aus ihrer Stimme sprach keine Missbilligung. Eher eine Art Nachdenklichkeit. Er fragte sich, warum.
    «Ja. Das habe ich gut gekonnt.»
    Sie schaute ihn weiter ruhig an. Runzelte dann leicht die Stirn, als würde sie überlegen.
    «Das könnte sich noch als nützlich erweisen», sagte sie. «Kommt selten vor, dass hier mal jemand Neues Einblick erhält. Auf dem Flug werde ich Ihnen das alles noch genauer erklären. Vorläufig ist mir nur wichtig, dass Sie wissen, was auf dem Spiel steht.»
    Dann wandte sie sich um und führte ihn zum Eingangsbereich der Kuppel. Sie öffnete die schwere Glastür.

19
    Als würde man in eine Tiefe schauen. In einen Hochofen. Genau, wie Bryce es beschrieben hatte. Das Portal war ein mitten in der Luft klaffendes Oval, drei Meter breit und einen Meter hoch, welches den Blick auf einen Tunnel von etwa einem Meter Durchmesser eröffnete, der sich endlos in die Tiefe erstreckte. In dem Tunnel züngelten und flackerten blaue und violette Ranken aus Licht, flämmchengleich der Substanz, doch nicht der Form nach.
    In der gewaltigen Kuppel, die das übrige Bauwerk vor was auch immer abschirmte, war das Portal zusätzlich von einem Sicherheitsbehältnis umschlossen, einem rechteckigen Container aus dickem Panzerglas mit einer luftdicht schließenden Tür. Der Zweck dieser Glaskonstruktion in dem Raum, in dem es so still war wie ineiner Bibliothek, war leicht ersichtlich. Travis beobachtete, wie sich sein Spiegelbild auf dem vibrierenden Glas rhythmisch verwischte, und dachte an die unheilvollen Portalsstimmen, die dahinter in unmittelbarer Nähe schalldicht abgeschlossen waren.
    Er wandte sein Augenmerk wieder dem Portal selbst zu, dem Tunnel, der unendlich lang zu sein schien und einem unbekannten Fluchtpunkt zustrebte. Sein Blick wurde wie magnetisch davon angezogen.
    «Allzu viel gibt es nicht darüber zu sagen», sagte Paige. «Was wir das Portal nennen, ist eine Pforte in eine andere Welt. Diese Pforte führt irgendwohin. Wohin, das wagen wir nicht mal zu mutmaßen. Von unserer Seite aus kann nichts hindurchgelangen. Und von der anderen Seite ist noch nie etwas Lebendiges herausgekommen. Dafür aber Gegenstände. Durchschnittlich drei bis vier am Tag, seit nunmehr über dreißig Jahren. Entitäten.»
    Direkt unter dem Portal stand eine Art verstärktes Trampolin, anderthalb mal anderthalb Meter groß. Sein Gewebe machte einen ebenso elastischen wie robusten Eindruck, und es ruhte auf dicken, schalldämpferartigen Federn. Was auch immer aus dem Portal zum

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