Die Pforte
Nicht mal von den USA.
«Aber das Portal befindet sich auf unserem Territorium», wandte der Verteidigungsminister ein. «Wir haben die Kosten übernommen, damit es überhaupt entstehen konnte.»
«Umso mehr Gewicht wird unserem Standpunkt zukommen», sagte Campbell. «Schauen Sie, je mehr wir unseren Anteil an der Sache herausstreichen, desto eher wird eine andere Supermacht sagen: ‹Vergessen Sie’s, wir legen uns selbst eins zu.› Hat ein Staat erst den Anfang gemacht, werden ihm andere folgen. Das lässt sich nur verhindern, indem wir unparteiisch vorgehen. Überlegen Sie mal: Wären wir nicht auch froh, wenn ein anderes Land ebenso handeln würde, wenn eine seiner Forschungseinrichtungen versehentlich dieses Ding erschaffen hätte?»
«Ich glaube nicht, dass irgendein anderes Land so handeln würde», wandte der Präsident ein.
«Ich auch nicht», stimmte ihm Campbell zu. «Gerade aus dem Grund werden Sie ja mit dieser Entscheidung in die Geschichte eingehen.»
Damit war die Diskussion zwar noch nicht abgeschlossen, aber letztlich wurde im Frühjahr und Sommer 1978 in nahezu allen Fragen in Campbells Sinne entschieden. Die für die Aufsicht über das Portal zuständige Organisation erhielt den Namen «Tangent». Ihr Zweck war klar umrissen: alles zu erfassen und zu untersuchen, was zum Vorschein kam; aus diesen Analysen wissenschaftliche Erkenntnisse zu ziehen und das menschliche Wissen zu mehren; und zu verhindern, dass das Portal jemals zum Zankapfel zwischen gegnerischen Parteien wurde.
Und dieses Konzept ging auch auf.
Eine Zeit lang.
«Der stärkste Verbündete meines Vaters bei dem Bemühen darum, Tangent ins Leben zu rufen, war ein Mann namens Aaron Pilgrim», sagte Paige. «Er war der engste wissenschaftliche Berater des Präsidenten und hatte seinerzeit auch das ursprüngliche SGI S-Projekt mit aus der Taufe gehoben. Wie mein Vater gehörte er schließlich zu den höchsten Funktionsträgern bei Tangent und galt allgemein als klügster Kopf der Organisation. Besonders gut verstand er sich darauf, Sinn und Zweck der seltsamen und einzigartigen Entitäten auszutüfteln, die aus dem Portal zum Vorschein kamen. So wurde es mit der Zeit selbstverständlich, dass solche Objekte zuerst Aaron Pilgrim vorgelegt wurden.»
Sie schwieg kurz. Starrte hinaus in das grelle Sonnenlicht über der Ebene.
«Das Flüstern tauchte im Sommer 1989 auf. Der Schlüssel war anfangs in einer Art Befestigung separat beigefügt. Doch es war auch im nicht angeschalteten Zustand brandgefährlich. Der Schlüssel aktiviert bloß die Intelligenz; aber die selbstzerstörerischen Impulse sendet es immer aus. Der erste Mitarbeiter, der es in seinen bloßen Händen hielt, hat zwei Laborassistenten ermordet und sich dann mit einem Kuli selbst die Kehle durchgeschnitten. Wird die Intelligenz aktiviert, löst es denselben mörderisch-suizidalen Impuls aus, aber bezogen auf die gesamte Welt.»
Travis versuchte, sich daran zu erinnern, wie das Ding von ihm Besitz ergriffen hatte. Es gelang ihm nicht. Seine Erinnerungen, die Stunden zuvor, während der Vernehmungen, noch nebelhaft vorhanden gewesen waren, waren jetzt komplett verschwunden. Bloß an seine eigene Schilderung der Erfahrung erinnerte er sich noch, aber auch das verblasste langsam.
Paige bemerkte seinen Gesichtsausdruck. «Niemand kann sich je erinnern», sagte sie. «In ein paar Stunden würden Sie völlig vergessen haben, es je in der Hand gehalten zu haben, wenn andere Sie nicht daran erinnern würden. Keine Ahnung, was es damit bezweckt.»
«Warum hat es mir das Leben gerettet?», fragte er. «Mich vor dem Killer in dem Anzug beschützt?»
«Unseren Erkenntnissen nach folgt es in etwa immer demselben Muster. Zuerst erfüllt es etwaige Bedürfnisse aufseiten des Benutzers. Je verzweifelter das Bedürfnis, desto besser. Es hat Ihnen also geholfen, Ihren Gegner zu töten. Und dann – das mutmaße ich jetzt mal – hat es Ihnen die Fähigkeit verliehen, die Sprache zu lesen, die Sie an meiner Bürowand gesehen haben. Auch das erfülltein Bedürfnis, wenn wir das, was bevorsteht, noch verhindern wollen.»
«Aber ist das mein Bedürfnis oder Ihres?»
«Es ist jetzt unser aller Bedürfnis.»
Ihr Tonfall ließ am Inhalt der Aussage keinerlei Zweifel aufkommen.
«Und wie geht’s dann weiter?», fragte er. «Sobald es sich um die Bedürfnisse des Benutzers gekümmert hat, wendet es sich seinen eigenen Belangen zu?»
«So ungefähr. Es kommt vor, dass es eine Weile mit
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