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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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eigentlich fast nie.»
    «Die Alternative scheint noch weniger plausibel. Dass er es darauf angelegt hätte, dass wir dort auftauchen, ihn zwingen, aus dem Gebäude zu verschwinden, das er zehn Jahre lang präpariert hat, und noch dazu ohne das Flüstern fliehen zu müssen, das er bis dahin vermutlich als ein zweites Hirn empfunden haben dürfte. Wahrscheinlich hätte er lieber Augen und Ohren hergegeben als dieses Ding.»
    Womit sie natürlich auch wieder recht hatte.
    «Dann hat Tangent also seit vier Jahren die Kontrolle über die Theaterstraße sieben», sagte Travis. «Da werden sich Ihre Leute doch sicher angeschaut haben, was Pilgrim in dem Gebäude hinterlassen hat.»
    «Das geschieht rund um die Uhr, seit wir es besetzt haben.»
    «Was richtet denn die Waffe genau aus?»
    «Hier kommen Sie ins Spiel», sagte sie. «Weil das nicht mal Pilgrims eigene Leute wussten. Und wir tappen ebenso im Dunkeln.»
    Wieder Schweigen. Einige der Fragen, die ihm durch den Kopf gingen, konnte er ansatzweise selbst beantworten. Aber nicht alle.
    «Der Grund, warum wir das nicht wissen, ist ziemlich offensichtlich», sagte Paige. «Pilgrim hat die Waffe nicht selbst entworfen. Das hat er vom Flüstern erledigen lassen, maßgeschneidert nach seinen Zwecken. Er hat sich von ihm bei der Arbeit anleiten lassen, die gesamten zehn Jahre über, in denen er das Ding konstruiert hat, das so gut wie jeden Kubikzentimeter des Gebäudes einnimmt, acht Stockwerke hoch und direkt am Ufer des Flusses, der durch Zürich fließt. Es handelt sich um außerirdische Technologie, aus von Menschen gemachten Komponenten zusammenimprovisiert. Gar nicht dumm, so etwas mit Hilfe des Flüsterns zu konstruieren, aber das hatte aus Pilgrims Sicht auch einen Nachteil.»
    «Der induzierte Gedächtnisverlust», sagte Travis.
    Paige nickte. «Sich von einem zum anderen Mal daran zu erinnern, was das Flüstern einem gesagt hat, ist unmöglich. Was es natürlich erheblich erschwert, seinen Anweisungen durchgängig zu folgen. Also musste Pilgrim sich Notizen machen. Aber weil das ein Sicherheitsrisikodarstellte, hat ihm das Flüstern eine Sprache zur Verfügung gestellt, die außer ihm niemand lesen konnte.»
    Langsam fügten sich die Puzzlesteine für Travis zu einem Gesamtbild zusammen.
    «Das ganze Haus ist damit vollgekritzelt», sagte Paige. «Ich könnte Ihnen jetzt Abertausende Aufnahmen zeigen, aber die wären völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Sie schauen sich das besser mit eigenen Augen an. So, wie er es vor Ort aufgeschrieben hat.»
    «Sie hoffen also, dass ich Ihnen helfe, aus dem Ding schlau zu werden», sagte er. «Um es entschärfen zu können.»
    «Ich
bete
eher darum, dass Sie uns helfen können», sagte sie. «Aber stimmt, so sieht es aus.»
    «Darf ich eine ziemlich offensichtliche Frage stellen?»
    Sie lächelte ein wenig und kam seiner Frage zuvor. «Es gibt einen Grund, warum wir das Gebäude nicht einfach dem Erdboden gleichmachen. Sie werden ja sehen, wenn wir erst dort sind. Und wir können es auch nicht wirksam abschirmen. Jetzt nicht mehr. Wir könnten eine ganze Division gepanzerte Kavallerie davor aufziehen lassen, das würde nichts nutzen. Pilgrim hat das Flüstern. Damit ist er allen und allem überlegen. Sogar anderen Entitäten, wie Sie ja in Alaska selbst erleben durften.»
    Er musste ihr zustimmen.
    «Das Flüstern kennt im Voraus alle nur denkbaren Wege, auf denen sich jedes beliebige Ergebnis erzielen lässt», sagte sie. «Stellen Sie es sich vor wie eine Partie Stein, Schere, Papier, in der das Flüstern ein Steinschneider aus Diamant ist. Es ist einfach allem überlegen. Sollte Pilgrim vorhaben, in die Theaterstraße sieben zurückzukehren und die Waffe zu zünden – undgehen wir einfach mal davon aus, dass der Scheißkerl genau das vorhat   –, dann wird er das tun. Außer, wir haben das Ding bis dahin unschädlich gemacht.»

STROPHE IV
    EINES SPÄTEN ABENDS IM OKTOBER 1992
     
    Travis sieht sofort, dass er unerhörtes Glück gehabt hat. Sein Auto, das erst an der Heim-Entertainmentanlage an der hinteren Wohnzimmerwand zum Stehen gekommen ist, hat das Sofa mit voller Wucht gegen den Großbildfernseher gerammt, mitsamt dem Mann, der darauf sitzt. Manny Wright, ein Zwei-Meter-Koloss, an die vier Zentner schwer. Der Bodyguard der Hauseigentümer, der mit ihnen unter einem Dach wohnt. Sein Genick ist gebrochen. Er will sich bewegen, nach der Pistole Kaliber .44 greifen, die in dem Holster an seiner Hüfte steckt. Aber

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