Die Pforte
denen am anderen Ende des Portals aufzunehmen.»
Eine Vorstellung, bei der Travis spontan tiefer ins Grübeln geriet als bei allem, worüber sie bisher gesprochen hatten. Wirklicher Kontakt zu dem – zu denen? –, was sich am anderen Ende befand?
Paige sah ihn an, als wüsste sie, was ihm gerade durch den Kopf ging, als wäre das offensichtlich. Schon möglich. Vielleicht reagierte ja jeder ähnlich auf diesen Gedanken, wenn er ihn das erste Mal hörte.
«Es wird wohl kaum klappen», sagte sie. «Das akzeptiert sogar Dr. Fagan. Auch wenn man die erste Barriere überwinden könnte, spräche rein mathematisch immer noch alles gegen einen. Dann wird es nämlich richtig kompliziert – Einstein, die Relativitätstheorie, Zeitdilatation –, Dinge, die wir zwar berechnen, aber nicht mehr verstehen können. Am Ende jedenfalls läuft es immer auf dasselbe Ergebnis hinaus: Würde man etwas in diese Pforte schicken, würde es einfach zurückkommen, ehe es am anderen Ende angelangt wäre. Monate oder Jahre später, oder – und das ist wirklich nur eine Vermutung – es könnte sogar zurückkommen, noch
bevor
es losgeschickt wurde. Vielleicht lange davor.»
Nachdem sie seine Reaktion beobachtet hatte, setzte sie noch hinzu: «Wie gesagt, in Border Town gibt es viele
Vielleichts
.»
Travis nickte und starrte dann hinab auf den Landstrich, von dem sie sich immer weiter entfernten. Eine Schnellstraße, auf der so gut wie kein Auto unterwegs war, fesselte seine Aufmerksamkeit.
«Und was genau befindet sich an der Theaterstraße sieben?», fragte er schließlich.
Paige dachte kurz nach. «Es geht weniger darum, was sich dort befindet. Viel wichtiger ist, was das Gebäude selbst darstellt.»
«Und das wäre?»
Kurzes Schweigen, dann: «Eine Waffe.»
Er wandte sich vom Fenster ab und sah sie an. Wartete, dass sie weitersprach.
«Im Gebäude an der Theaterstraße sieben wird sich alles entscheiden», sagte sie. «Es bildet den zentralen Dreh- und Angelpunkt bei allem, was unser Feind plant. Wenn wir dort gewinnen, gewinnen alle. Und wenn wir dort verlieren –» Sie verstummte jäh, als wollte sie alles Weitere lieber nicht aussprechen, ja vielleicht nicht einmal denken.
«Damit Sie verstehen, worum es hier geht, muss ich etwas weiter ausholen», sagte sie dann. «Ihnen den Hergang von Anfang an schildern. Zumindest in groben Zügen.»
Das beispiellose Ereignis im Frühjahr 1978 in Wyoming, einhundertfünfzig Meter unter der Erdoberfläche, hatte ein ebenso außerordentliches Nachspiel in Washington, einhundertfünfzig Meter südlich der Pennsylvania Avenue. Nachdem sie in den Besitz des wichtigsten Aktivpostens aller Zeiten gelangt war, entschied sich die mächtigste Bürokratie der Welt freiwillig, ihren Einfluss darauf zu beschneiden.
In den Wochen nach dem katastrophalen Zwischenfall in der Anlage des Sehr Großen Ionen-Speicherrings in Wind Creek wurden der Präsident der Vereinigten Staaten und ein Großteil seines Kabinetts von Ermittlern vor Ort laufend über den Stand der Dinge unterrichtet. Die geretteten Mitarbeiter des Energieministeriums warenzunächst zur stationären Versorgung in Krankenhäuser gebracht worden. Nach ihrer Entlassung wurden sie zu strengem Stillschweigen verpflichtet und erhielten therapeutische Betreuung, um die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, was in manchen Fällen vermutlich Jahre beanspruchen würde. Ruben Ward befand sich weiterhin im Koma; er war ins Johns Hopkins Hospital verbracht worden, ohne dass sich an seinem Zustand etwas änderte.
Die erste wissenschaftliche Inspektion der Anlage fand am 3. April statt. Dabei stellten die Gutachter fest, dass sich unter dem Portal – zu dem Zeitpunkt hatte sich diese technische Bezeichnung bereits eingebürgert – mittlerweile über neunzig Objekte angesammelt hatten. Die ohnehin schon bei allen Beteiligten verbreitete Einsicht, dass die Situation größtes Fingerspitzengefühl erfordern würde, wurde durch die Befunde der Gutachter nachdrücklich unterstrichen. In dem 8 7-seitigen Bericht, den sie nach dieser ersten Bestandsaufnahme verfassten, tauchte das Wort
gefährlich
über zweihundertmal auf.
Nach Auswertung des Berichts wurden im engsten Beraterstab des Präsidenten die üblichen Fragen erörtert. Wie streng sollte das Projekt unter Verschluss gehalten werden? Wie konnte der Kongress am besten übergangen werden? Welche Rüstungsunternehmen sollten involviert werden, und welche Rolle genau sollte ihnen
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