Die Pforte
bei der Nutzung dieser seltsamen neuen Ressource eingeräumt werden? Diejenigen, die im Wahlkampf am großzügigsten gespendet hatten, müssten selbstverständlich bevorzugt berücksichtigt werden, doch wie viele Unternehmen genau sollte man beteiligen? Zwei? Vielleicht drei?
Bei der ersten derartigen Besprechung wandte sich derPräsident nach einiger Zeit einem Mann zu, der bisher kaum ein Wort gesagt hatte: Peter Campbell, ein Professor am MIT und mit dreiunddreißig Jahren das jüngste Mitglied im wissenschaftlichen Beirat.
«Es scheint, als wären Sie nicht einverstanden», sagte der Präsident.
«Das stimmt.»
«Dann äußern Sie Ihren Standpunkt.»
Campbell legte sich seine Worte zunächst sorgsam zurecht und fing dann an.
«Glaubt irgendwer hier im Raum tatsächlich, dass wir das geheim halten können?» Er wartete kurz, erntete aber nur betretenes Schweigen. «Nehmen wir mal die technischen Unterlagen zum Manhattan-Projekt. Falls wir je etwas geheim halten mussten, dann ja wohl diese Unterlagen. Wie lange ist uns das gelungen? Zwei Jahre. Kaum zwei Jahre später arbeiteten die Russen an ihrer eigenen Bombe. Überlegen Sie, wie viel Wissen sie von uns zur Durchführung ihres Projekts in Erfahrung bringen mussten, und halten Sie sich dann vor Augen, dass sie diesmal lediglich zweierlei zu erfahren brauchen: dass es das Portal gibt und dass es durch den SGIS erschaffen wurde. Danach stehen ihnen alle weiteren Informationen frei zur Verfügung. Die technischen Daten zum SGIS wurden fünf Jahre vor Abschluss der Bauarbeiten im
Scientific American
veröffentlicht.»
Der Vizepräsident schaltete sich ein. «Falls Russland einen eigenen Zugang zu dieser anderen Welt entwickelt, ist das natürlich problematisch, aber –»
«Russland, China, Indien, Nord- und Südkorea, Israel, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Saudi-Arabien», zählte Campbell auf. «Wahrscheinlich nochein paar mehr, die ich jetzt auslasse. Ein jedes dieser Länder, verlassen Sie sich darauf, wird innerhalb von zehn Jahren sein eigenes Portal funktionsbereit haben. Für den Bau unseres SGIS haben wir mit Mitteln aus dem Energieministerium zehn Jahre gebraucht. Das Verteidigungsministerium hätte das in der Hälfte der Zeit hinbekommen, und eine ähnliche Eile sollten wir auch bei all diesen Ländern voraussetzen.» Er wedelte mit seinem Exemplar des Berichts vor der Nase des Vizepräsidenten herum. «Scheiße, wollen Sie ernsthaft, dass all
deren
besonders großzügigen Rüstungskonzerne sich an derart heikler Materie vergreifen?»
Noch Jahre später grübelte Campbell manchmal nachts im Bett darüber nach, ob dieser eine, wohlüberlegte Einsatz des Wortes
Scheiße
womöglich die Welt gerettet hatte. Etwas in seinen Ausführungen jedenfalls hatte einen Nerv getroffen, denn von diesem Punkt an kippte das Gespräch, und zwar unwiderruflich. Er hatte an ihre Ängste appelliert, mehr nicht. Und damit mitten ins Schwarze getroffen.
Letzten Endes wandte sich der Präsident mit der alles entscheidenden Frage an Campbell. Welches alternative Vorgehen schlug er vor?
Campbell hatte eine Antwort. Andere Länder sollten gar nicht erst in die Versuchung geraten, mit viel Aufwand ihr eigenes Portal zu erschaffen. Am besten teilte man dieses bereits vorhandene mit ihnen allen. Dazu müsste ein geheimes Gipfeltreffen mit den Führern dieser Nationen und ihren angesehensten Wissenschaftlern anberaumt werden, aber ohne die Bosse ihrer jeweiligen Rüstungsindustrie. Dort müsste man sie offen und umfassend über alles in Kenntnis setzen. Eine Maßnahmeaber müsste auf jeden Fall getroffen werden, um Chaos zu vermeiden: Die Pforte sollte unter die Aufsicht einer einzigen Organisation gestellt werden, die der Welt im Ganzen verpflichtet sein würde, keiner Nation im Speziellen. Hierfür dürften nur Mitarbeiter ausgewählt werden, die wissenschaftlich hochqualifiziert und ethisch über jeden Zweifel erhaben waren, ethisch im übergeordneten Sinn, orientiert an menschlichen Bedürfnissen und Schwächen also, losgelöst von unterschiedlichen religiösen Dogmen. Aktive Bewerbungen um Aufnahme dürften nicht berücksichtigt werden. Wen es nach so großer Verantwortung verlangte, dem sollte sie niemals anvertraut werden. Stattdessen sollte man selbst nach herausragenden Kandidaten suchen und sie anwerben. Die Gruppe sollte von allen Mitgliedernationen finanziert und geschützt werden, dürfte aber von keiner einzelnen Nation kontrolliert werden.
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