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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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sind wir jetzt ja noch genauso weit entfernt wie eh und je, schätze ich.»
    Sie wandte sich vom Fenster ab, schaute ihn direkt an. Mit ihren wunderschönen, angsterfüllten Augen, auf denen ein heller Abglanz des Nebels lag.
    Auf dem Display ihres PDA waren die fünf Zeilen zu sehen, die Travis vorhin entziffert hatte. Die letzten zehn Minuten über hatte sie mit gerunzelter Stirn versucht, irgendwie aus ihnen schlau zu werden. Jetzt wandte sie sich dem Text ein weiteres Mal zu.
    Er beobachtete sie. Es fiel ihr sichtlich nicht leicht, ihre Ungeduld und Enttäuschung im Zaum zu halten. Als hätte sie am liebsten die Kabel und Drähte heruntergefetzt, die überall um sie herumbaumelten.
    Dann kam ihm eine Frage in den Sinn. Eine Frage, die durchaus von Belang sein konnte.
    «Wenn Sie Pilgrim das Flüstern vor vier Jahren wieder abgeknöpft haben, wie kam es dann letzte Woche an Bord einer 747? Hätte es nicht besser in Border Town verwahrt werden müssen?»
    Sie stieß entnervt die Luft aus. «Dort haben wir es ja verwahrt. Und haben vier Jahre lang versucht, ihm Antworten zu entlocken. Antworten zu diesem Haus.» Sie schüttelte den Kopf, biss kurz die Zähne zusammen. «Das ist so verdammt frustrierend. Man kann es einfach nicht dazu zwingen, einem zu helfen, wenn es nicht der Ansicht ist, dass man diese Hilfe wirklich braucht. Und man kann es immer nur diese paar Sekunden lang versuchen, ehe sich das Licht verändert und es selbst versucht, die Kontrolle zu gewinnen. Ein paar Kollegen haben vorgeschlagen, dass jemand versuchen sollte, esähnlich zu beherrschen wie Pilgrim. Wie die Abstimmung über diesen Geistesblitz ausgefallen ist, können Sie sich wohl ausmalen.»
    Travis musste unwillkürlich grinsen.
    Irgendwo draußen in der Stadt zerbrach klirrend eine Flasche auf Asphalt. Ob direkt unten auf der Straße oder viel weiter weg, war im Nebel unmöglich zu sagen. Dann war das Gelächter von Männern zu hören, das weithin durch die Straßen schallte.
    «In Border Town haben wir einen alten Notizblock mit Pilgrims handschriftlichen Aufzeichnungen gefunden», sagte Paige schließlich. «Vor seiner Flucht 1995 hatte er sorgsam alle Computerdateien restlos gelöscht, in denen seine Arbeit mit dem Flüstern dokumentiert war. Diesen Block aber hat er wohl vor Jahren im Labor zurückgelassen und dann vergessen. Ein Mitarbeiter ist 1998 im Archiv ganz zufällig darauf gestoßen, in einem Stapel anderer Unterlagen. Viel Brauchbares stand nicht darin, hauptsächlich Notizen über Labortests, die fehlgeschlagen waren, die er durchgestrichen hatte, all so was. Eins aber war auffällig: Er hatte sich eine Notiz zu einer Anlage gemacht, die zu der Zeit gerade in Japan errichtet wurde. Damals in den Neunzigern noch zehn, fünfzehn Jahre von der Fertigstellung entfernt, also reine Zukunftsmusik. Der Große Hadronenbeschleuniger. Und Aaron Pilgrim, das darf man nicht vergessen, ist ein Experte auf dem Gebiet von Teilchenbeschleunigern. In der Materie kennt er sich aus wie nur ganz wenige andere Fachleute auf der Welt. Na ja, in dem Block hat er auf fünf Seiten nähere Berechnungen angestellt, die am Ende eine These stützten, die er rot eingekringelt hatte: Nach Fertigstellung des GHB in Japan könnte sich derVersuch lohnen, das Flüstern am Interaktionspunkt der Anlage zu platzieren und ein Teilchen darauf abzuschießen. Weil er vermutete, dass das eine ähnliche Wirkung haben könnte wie der An/Aus-Schlüssel   … aber nur auf den selbstzerstörerischen Teil des Flüsterns, nicht auf den Intelligenz-Teil. Sodass man seine Fähigkeiten also ungehindert nutzen könnte, ohne alle sonstigen negativen Begleiterscheinungen.»
    Sie seufzte und fuhr dann sichtlich bekümmert fort.
    «Der GHB wurde letzten Monat in Betrieb genommen. Wir mussten es versuchen. Falls das klappte, könnten wir über grenzenloses Wissen verfügen. Alle Krankheiten auf der Welt heilen. Erfahren, wie all die Portal-Entitäten zu nutzen sind, die uns bis heute Rätsel aufgeben. Vor allem aber: wie sich dieses Gebäude mitsamt der Waffe unschädlich machen lässt, ehe Pilgrim sie jemals einsetzen könnte. Wir mussten es versuchen, und zwar so rasch wie möglich. Weil hier im Tötungsumkreis des Sprengkopfs vierhunderttausend Menschen leben und schon ein Blitzeinschlag genügen würde, um die Stromzufuhr für wenige Sekunden zu unterbrechen, oder bloß ein größerer LKW in das Gebäude krachen müsste, um die Sensoren zu erschüttern. Was sollten wir denn

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