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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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jäh verflogen und in eine Art Schockzustand umgeschlagen. Und in Furcht. Grenzenlose, maßlose Furcht. Sie wichen vor den Schützen zurück, schüttelten den Kopf, flehten mit aufgerissenen Augen in mindestens drei Sprachen um ihr Leben. Jetzt ließen sich ihre Gesichter nicht mehr übersehen. Und diese Gesichter, so, wie sie jetzt aussahen, würde er sein Leben lang nicht vergessen, das spürte Travis. Dieser Anblick würde ihm für alle Zeit vor Augen stehen, in allen Einzelheiten.
    Die Treppe unter ihm leerte sich im Nu, nur die Toten blieben zurück. Die Menge hatte kehrtgemacht und strebte, außer Sichtweite, schon die nächste Treppe hinunter. Jetzt nahm Travis auch ein Geräusch wahr, schrillund klagend und wild, ein wenig so, als würde der Wind heulen. Es kam aus allen Richtungen. Da verstand er. Es war die Menge draußen auf den Straßen. Tausende von Menschen, denen plötzlich zu Bewusstsein kam, dass sie inmitten der Leichen ihrer Freunde standen.
    In seinem Ohrknopf meldete sich Paiges Stimme. «Feu er einstellen, aber Stellung halten. Wir werden in fünf Minuten evakuiert, die Hubschrauber sind unterwegs. Bis dahin Stellung halten und auf der Hut bleiben, falls doch noch irgendwas passiert.»
     
    Fünf Minuten später. Zur Haustür hinaus, über den kopfsteingepflasterten Zugangsweg und vorbei an dem schmiedeeisernen Zaun. Alles übergossen vom rosigen Schein der Morgendämmerung, dazu der noch immer dichte Nebel, der sich um die weiter brennenden Autowracks herumkräuselte und heftig vom Rotorwind der Black Hawks durchgequirlt wurde. Es waren insgesamt vier, die in geringer Höhe von Osten heranflogen, die Theaterstraße entlang. Als sie in der Straße landeten, wurde der Nebel in Bodennähe so weit beiseitegewirbelt, dass die Berge von Leichen im Umkreis des Gebäudes zum Vorschein kamen. Travis sah, wie der Pilot und Copilot des vordersten Hubschraubers die Spuren des nächtlichen Gemetzels musterten und einige Worte wechselten, die er ihnen mühelos von den Lippen ablesen konnte.
    Kurz darauf saß er, zusammen mit einem Dutzend der anderen, an Bord des dritten Hubschraubers, direkt neben Paige, und schnallte sich an. Paige hielt den schwarzen Würfel aus dem achten Stock auf dem Schoß. Den Verstärker.
    Sie neigte sich zu ihm und schrie ihm ins Ohr: «Schau en Sie mal!»
    Sie drehte den Würfel herum, damit er ihn sich von allen Seiten ansehen konnte. Der Würfel war rundherum glatt und wies keinerlei Anschlüsse für Drähte oder Kabel auf. Das verfluchte Ding hatte also einfach nur dagelegen, ohne an irgendetwas angeschlossen zu sein. Der Würfel allein war der Verstärker; die acht Etagen voller Schaltkreise waren ein einziger Bluff gewesen.
    Ein weiterer Posten auf der Liste von Unsinnigkeiten, aus denen er nicht schlau wurde.
    Die übrigen Mannschaften aus dem Gebäude hatten sich jetzt auf die anderen Black Hawks verteilt, und Sekunden später hoben die Hubschrauber nacheinander ab. Travis sah hinab auf die Straßen und konnte nirgendwo das kleinste Anzeichen von Leben entdecken. Die Hubschrauber überflogen das Dach, beschrieben eine Kehre in der Luft und flogen dann dicht hintereinander über der Stadt nach Süden, schwarze Umrisse in der Morgendämmerung.
     
    In Meiringen wartete bereits die 747 mit laufenden Motoren am Ende der Startbahn. Sie gingen sofort an Bord, und drei Minuten später stieg das Flugzeug im steilsten Winkel, den seine Tragflächen zuließen, über der Schweiz in die Höhe, nur auf die Gefahr hin, dass unten zwischen den Kiefern auf einem der Berghänge jemand mit einer Stinger-Rakete lauerte. Als sie schließlich eine Flughöhe von 45   000   Fuß erreicht hatten, bemerkte Travis drei Jagdflugzeuge, die neben dem Steuerbordflügel in Formation gingen. Auf der anderen Flugzeugseite sah es gewiss nicht anders aus, und es stand zu vermuten,dass ihnen auch Begleitjäger vorausflogen und dichtauf folgten.
    Paige ging kein Risiko ein. Sie ordnete vorsichtshalber an, dass der Copilot sich ganz hinten ins Flugzeug setzen musste, unter Bewachung, und wählte dann drei ihrer Leute aus, die vorne beim Piloten in der Kanzel sitzen und ein wachsames Auge auf ihn haben sollten. Als sie zu ihrem Sessel in dem Raum zurückkehrte, in dem sie mit Travis auch den Hinflug verbracht hatte, wirkte sie eher erschöpft als erleichtert.
    Der schwarze Verstärkerwürfel lag auf dem Boden ganz in der Nähe.
    Paige zählte die entscheidenden Stichpunkte an ihren Fingern ab: «Sein Gebäude

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