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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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ist verloren; wenn die letzten Verwundeten geborgen sind, werfen wir eine Bombe ab und machen es dem Erdboden gleich. Wir haben den Verstärker. Von den drei Entitäten, die er in seiner Gewalt hatte, haben wir den Unsichtbarkeitsanzug zurückerbeutet und den Ares zerstört. Jetzt hat er noch das Flüstern.» Sie schaute Travis an und zeigte beinahe einen Anflug von Optimismus. «Was also ist da gerade in Zürich passiert? Haben wir es irgendwie geschafft, seine Pläne zu durchkreuzen?»
    «Dazu müssten wir erst mal wissen, was er genau geplant hatte», sagte Travis.
    «Alles, wofür er vierzehn Jahre lang gearbeitet hat, ist entweder zerstört oder befindet sich in unserem Besitz.» Sie klang fast so, als wollte sie eher sich selbst als ihn überzeugen.
    Travis nickte bestätigend, hegte aber immer noch gewisse Zweifel. Schließlich war völlig unklar, wie der Plan genau ausgesehen hatte. Oder immer noch aussah.
    Paiges Handy klingelte. Es war Crawford in Border Town. Sie schaltete wieder den Lautsprecher an.
    «Wir haben etwas über den letzten Namen auf Pilgrims Liste», sagte Crawford. «Ellis Cook. Zunächst nochmal zur Sicherheit, dass ich Sie auch wirklich richtig verstanden habe: Diese Namen waren in dem Raum im achten Stock in den Fußboden geritzt?»
    «Ja», sagte Paige.
    «In dem seit mindestens vier Jahren kein Mensch mehr gewesen ist», sagte Crawford.
    «Genau», sagte Paige, ein wenig ungeduldig.
    «Ellis Cook verfügte über ein Vermögen von über einhundert Millionen Dollar. Aber er hat es erst vor drei Jahren im Powerball-Lotto gewonnen. Vor vier Jahren, als sein Name bereits in diesen Fußboden geritzt war, hat Cook noch ein kleines Café in North Carolina betrieben.»
    Paige sah aus, als würde sie auf mehr warten. Auf eine Pointe vielleicht. Sie fixierte das Telefon mit verengten Augen. Dann sah sie Travis an und sagte: «Wie bitte?»
    Er wusste ihr keine Antwort zu geben.
    «So viel haben wir bisher herausgefunden», fuhr Crawford fort. «All diese Leute waren bei ihrem Ableben schwerreich, doch wir suchen noch nach einer spezifischeren Verbindung zwischen ihnen. Aber als Pilgrim Ellis Cooks Namen da oben in den Boden geritzt hat, musste sich der Typ noch zehn Stunden am Tag mit Kunden herumschlagen, die nach mehr Schaum auf ihrem Cappuccino verlangt haben. Wir sind da genauso ratlos wie Sie.»
    Paige beendete das Telefonat und starrte kurz ins Leere. Dann schüttelte sie schließlich den Kopf. «Also, dassdas Flüstern in der Lage ist, alles über die Gegenwart zu wissen, akzeptiere ich ja. Keine Ahnung, wie es das anstellt, aber diese Informationen existieren ja zumindest tatsächlich auf der Welt. Aber, Herrgott, egal, wie hochentwickelt das Ding sein mag, wie soll es auch noch in die Zukunft schauen können? Dazu gibt es doch viel zu viele Zufälle. Das reinste Chaos.»
    «Wahrscheinlich versteht es sich ziemlich gut darauf, wohlbegründete Vermutungen anzustellen», sagte Travis. «Wesentlich besser als wir Menschen.»
    «Es soll dazu in der Lage sein, über ein Jahr im Voraus die Lottozahlen vorherzusehen, und auch, wer diese Zahlen am Ende tippen würde? Ist das auch nur annähernd möglich?»
    Er wandte ihr das Gesicht zu. Sie sah ihn mit großen Augen an. «Vor einer Minute hätte ich das noch verneint», sagte er. «Aber jetzt tendiere ich eher dazu, das nicht für ausgeschlossen zu halten.»
    Ihre Augen ruhten noch kurz auf ihm. Dann blinzelte sie und schaute aus dem Fenster, hinunter auf die Schweiz, die sie rasch hinter sich ließen. «Womit genau haben wir es hier aufzunehmen?»
    «Ich habe da eine Vermutung», sagte Travis. «Aber ich weiß nicht recht, ob Sie die hören wollen.»
    «Probieren Sie’s einfach.»
    «Bisher sind wir doch von der Annahme ausgegangen, dass Pilgrim das Flüstern völlig unter Kontrolle hat. Dass er es beherrscht.»
    Sie nickte. Abwartend sah sie ihn an.
    «Was, wenn es genau umgekehrt ist? Wenn es in Wahrheit das Flüstern ist, das
ihn
beherrscht?»

STROPHE VI
    EINES NACHMITTAGS IM MAI 2001
     
    Die Zelle misst zwei Meter siebzig mal zwei Meter zehn. Ein vergittertes Fenster gibt es nicht. Stattdessen vier Wände aus Beton mit einem scheußlichen blauen Farbanstrich und eine Stahltür mit einem senkrechten Streifen aus Panzerglas, fünf Zentimeter lang. Das ist das einzige Fenster in der Zelle. In die Decke ist eine Neonröhre eingelassen, die niemals ausgeschaltet wird. Seit letztem Dezember flackert die Röhre, und von diesem Flackern bekommt

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