Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
Vom Netzwerk:
selbst umgebracht. Und es ist mir egal, ob Sie alle mir das glauben oder nicht   –»
    «Wir wissen, dass er sich nicht umgebracht hat», sagte Travis.
    Sie hob den Blick und starrte ihn an. Er wandte sich zu Paige um, und sie reichte ihm den schwarzen Behälter. Er stellte ihn auf den Tisch neben der Tür und öffnete ihn. Der Behälter schien leer zu sein, aber dieser Eindruck täuschte. Travis griff hinein und tastete nach dem Inhalt, ohne zu wissen, welchen Teil er genau zu fassen bekommen würde. Es fühlte sich ungefähr so an, als würde er mit geschlossenen Augen nach einem Kleidungsstück tasten. Sofort bekam er etwas in die Hand, das sich anfühlte wie ein Ärmel, und gleich darauf fand er auch schon den unteren Saum des Oberteils.
    Er drehte sich wieder zu Lauren um.
    «Der Mann, der Ihren Vater ermordet hat, trug dabei das hier», sagte Travis. Dabei streifte er sich das Anzugoberteil über Arm und Schulter, die umgehend unsichtbar wurden, einfach ins Nichts verschwanden.
    Lauren zuckte heftig zusammen. Starrte mit großen Augen die leere Luft an, dort, wo sich Travis’ Arm hätte befinden sollen. Schüttelte unmerklich den Kopf. Bewegte die Lippen, als wollte sie eine Frage stellen, bekam aber kein Wort heraus. Starrte einfach nur dieses unsichtbare Ding direkt vor sich an. Bestimmt zehn Sekunden lang.
    Erst dann fragte sie mit kaum hörbarer Stimme: «Wo ist er jetzt?»
    Dabei schaute sie wieder Travis an, der ihren Blick ruhig erwiderte.
    «Tot», sagte er. «Ich habe ihn erschossen.»
    Er beobachtete ihre Reaktion. Offenbar glaubte sie ihm, ganz wie er gehofft hatte.
    «Wir sind nicht die Bösen, Lauren», fuhr er fort. «Sie brauchen keine Angst zu haben. Erzählen Sie uns bitte alles, was Sie auf dem Herzen haben.»
    Sie erwiderte seinen Blick noch einen Moment lang und schaute dann Paige und die anderen im Büro an, einen nach dem anderen. Alle nickten.
    Zuletzt schaute sie wieder Travis an und senkte dann erneut den Blick auf ihre Knie.
    «Mein Vater hat einer Gruppe von Leuten angehört, von der Sie noch nie gehört haben dürften. Dazu findet sich in seinen Steuerunterlagen oder Telefonprotokollen nichts. Die anderen Leute, die in den letzten Jahren umgebracht worden sind, gehörten auch dieser Gruppe an. Ich werde Ihnen so viel darüber erzählen, wie ich weiß.»
     
    Sehr viel wusste sie nicht zu berichten. Weil ihr Vater sie von seinen Aktivitäten so weit wie möglich ferngehalten hatte, aus Sorge um sie.
    Einen Namen hatte die Gruppe nicht, erklärte sie. Aus Sicherheitsgründen. Bloß einen – eher scherzhaften – Spitznamen hatten die Angehörigen ihr gegeben, der aber nie schriftlich festgehalten wurde: Qubit-Bruderschaft. Travis sagte dieser Begriff nichts, allen anderen Anwesenden schien er dagegen geläufig. Qubit stand für «Quantenbit», eine Speichereinheit bei einem Quantencomputer. Dutzende Regierungen und Hunderte Unternehmen hatten in den letzten zehn Jahren alles darangesetzt,tatsächliche Quantencomputer zu entwickeln, die den gegenwärtigen Rechnern an Effizienz turmhoch überlegen sein würden. Bis auf sehr begrenzte, unter Laborbedingungen erbrachte Machbarkeitsnachweise aber hatte bislang niemand nennenswerte Erfolge verzeichnet. Es handelte sich um eins dieser Phänomene, die nach allgemeiner Überzeugung irgendwann Realität würden. Ob aber schon in fünf Jahren oder erst in fünfzig, das war die Frage, an der alle scheiterten.
    Laurens Vermutung nach wurde die Qubit-Bruderschaft Anfang der neunziger Jahre gegründet, von einem Kreis sehr reicher Leute, die ihr eigenes Geheimprojekt finanzierten, mit dem Ziel, einen funktionstüchtigen Quantencomputer zu entwickeln. Ihr Beweggrund war schlichte Furcht: Auf der ganzen Welt wurde in diese Richtung geforscht, und wem es zuerst gelang, einen solchen Rechner zu konstruieren, der erlangte damit erhebliche Macht. Viele der Einrichtungen, die mit Hochdruck an diesem Projekt arbeiteten, so stand allerdings zu befürchten, würden diese Macht nicht im besten Interesse der Welt insgesamt einsetzen. Sondern eher im genau gegenteiligen Sinne. Die Qubit-Bruderschaft hatte sich zum Ziel gesetzt, diesen technologischen Durchbruch als Erste zu schaffen. Sie wollten danach sorgfältig eine Reihe vertrauenswürdiger Organisationen auswählen, die sich dem Wohle der Menschheit verpflichtet fühlten, und ihnen die Technologie kostenlos zur Verfügung stellen.
    Gute Idee. Aber auch lebensgefährlich. Wo es um so viel Macht ging,

Weitere Kostenlose Bücher