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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sie in Besitz zu nehmen?«
    Rogers schwieg lange Zeit.
    »Die Verteidiger haben verloren«, sagte er schließlich.
    »Und woher willst du das wissen? Weil die Burg verlassen ist?«
    Rogers schüttelte den Kopf. Seine Blicke wanderten über das, was in der Kapelle lag. Zuerst sah es so aus wie ein wirrer Haufen schmutziger, halbverschimmelter Gewänder, aber dann vermochten seine Augen aus den Schatten, die das Fackellicht tanzen ließ, Einzelheiten herauszuschälen. Was ausgesehen hatte wie kleine Äste und Zweige, die der Wind in das Innere der Kapelle geweht haben mochte, enthüllte plötzlich seine wahre Gestalt, und die runden braunen Formen waren keine Lehmklumpen, an denen Heu und Stroh klebten, sondern …
    Godefroy trat einen Schritt zurück und dann noch einen, bevor er einen tiefen Atemzug nahm. »Man sollte meinen, man gewöhnt sich dran, aber man tut es nicht«, murmelte er. Er wandte sich ab und stapfte zu den Pferden.
    »Wie lange ist das her, glaubst du?«, fragte Walter. »Einen Monat? Zwei?«
    Rogers nickte langsam. »Das nehme ich auch an. Die Tiere hätten die Knochen sonst noch weiter verstreut, die Überreste der Blide wären weiter in sich zusammengesunken gewesen, und die Spuren des Lagers wären nicht mehr so deutlich gewesen.«
    Walter zog sein Schwert heraus und ging in die Hocke. Er schob die Klinge unter einen der Nicht-Lehmklumpen und hob sie leicht an. Die runde Form rollte herum und bleckte sie mit braun verfärbten Zähnen an, eingewickelt in lange dünne Strähnen, die kein Stroh waren, sondern blondes Haar. Man konnte noch die Flechten eines Zopfes sehen, wo die Zähne der Tiere nicht gewesen waren. An mehreren Stellen war die geschrumpfte Haut vom blanken Knochen geplatzt wie trockene Birkenrinde, die Augenhöhlen wimmelten von Käfern. Walter zog die Klinge wieder zurück, und der Schädel rollte zurück. Rogers hatte immer noch das Gefühl, die Augenhöhlen starrten ihn an. Das Glitzern der Käferpanzer war fast wie das Funkeln von Augen gewesen.
    »Ein Mann und drei weibliche Personen«, sagte er. »Den Kleidern nach zu schließen, waren die Frauen wohlhabend und der Mann ein Soldat. Was der Soldat an Waffen und die Frauen an Schmuck getragen haben mögen, sind geplündert worden. Die Tiere haben die Überreste ziemlich auseinandergezerrt, aber man kann wohl davon ausgehen, dass die Leichen dort in der Ecke übereinandergeworfen wurden.«
    »Woran denkst du?«, fragte Walter.
    »Wenn sie Opfer eines Scharmützels gewesen wären, hätte man sie begraben, gleich, auf welcher Seite sie standen – umso mehr, als dass die Frauen keine Mägde waren, sondern vermutlich Adlige. Es sieht so aus, als hätte der Soldat die drei begleitet, zum Beispiel, weil freier Abzug für sie ausgehandelt wurde, doch dann überlegte es sich der Feind anders, brach die Abmachung und ermordete die Unglücklichen, aber nicht offen, sondern hinterrücks, und ließ die Leichen hier liegen.«
    »Und dass niemand sie gefunden hat, verleitet dich zur Annahme, die Burgbesatzung sei unterlegen.«
    »Sie sind nicht gefunden worden, weil nach dem Ende der Belagerung die Burg verlassen wurde und niemand wusste, dass sie tot waren – außer den Mördern, und die haben sich natürlich nicht mehr um die Leichname gekümmert.«
    »Du bist dennoch sicher, dass die Leute in der Burg besiegt worden sind?«
    Rogers nahm das Schwert, das Walter noch in den Händen hielt, zog die Fackel aus dem Boden, trat über den Schädel gleich beim Eingang der Kapelle hinweg und einen Schritt in das grausige Mausoleum hinein. Mit der Klinge stocherte er in dem Kleiderhaufen. Der Gestank, der aufwallte, war brutal, weil noch genügend Überreste von den Körpern in den Kleidern steckte, dort, wo die Tiere nicht hingekommen waren. Die Fliegen waren eine dichte schillernde Wolke, die um Rogers’ Gesicht kreiste, und er musste sich zusammennehmen, um sich bei dem Gedanken nicht zu erbrechen, wo die Tiere, die kurz auf ihm landeten, zuvor gesessen hatten. Er hielt die Fackel näher heran.
    »Deswegen bin ich sicher«, sagte er zwischen den Zähnen.
    »Verstehe ich nicht«, sagte Walter. »Das ist der Überrest eines Waffenrocks, den der Soldat getragen hat.«
    »Kommen dir die Farben nicht bekannt vor?«
    »Du meinst, das Schwarz von Verwesung und das Braun von getrocknetem Blut?«
    »Ich meine das Schwarz-Gold des Wappens von Staleberc. Hertwig hatte genau die gleichen Farben auf seinem Waffenrock. Der Tote hier war entweder Anshelm von

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