Die Pforten der Ewigkeit
zweifeln, dass Godefroys Orientierungssinn stets tadellos funktionierte.
»Der große Kerl, der aussieht wie ein Bischof, ist also ein Jude?«, fragte Godefroy. »Ich traue keinem Burschen, der solches Haar hat.«
» Sie traut ihm.«
»Ich traue auch keiner Klosterschwester, die so aussieht, dass man sich mit ihr im Heu wälzen möchte, wenn sie die Klosterschwesterntracht ausgezogen hat.«
»Und das, obwohl du ihr Haar noch nicht mal gesehen hast.«
Godefroy blieb stehen. »Rogers, hier ist alles schon merkwürdig genug, auch ohne einen Juden, der mit seiner Handelskarawane am Arsch der Welt anhält, angeblich um auf zwei Nonnen zu warten, damit die nicht alleine nach Hause reisen müssen.«
»Ich denke nicht, dass er gelogen hat. Und sie haben auch keine Komödie für uns gespielt. Wozu auch – wenn sie herausgefunden hätten, dass wir sie belauschen, hätten sie uns nur die Knechte des Juden auf den Hals zu hetzen brauchen. Los, beweg dich, sonst wird Walter noch nervös, wenn wir nicht rechtzeitig zurückkehren.«
Die Pferde stampften nur leicht mit den Hufen, als sie sie erreichten, und gaben keinen Laut von sich. Sie waren hervorragend dressiert. Eines musste man den Johannitern lassen – mit Tieren konnten sie gut umgehen, jedenfalls besser als mit Menschen. Sie schwangen sich in die Sättel und lenkten die Gäule durch das Gestrüpp, bis sie die Straße erreichten, auf der vor kurzem noch Schwester Elsbeth und Schwester Reinhild marschiert waren, hoffend, dass sie die Straßenkreuzung bald erreichen würden. Rogers dachte daran, dass die ältere der beiden Nonnen, Elsbeth – und die hübschere, wie bereits Godefroy festgestellt hatte –, sich mehrfach umgedreht hatte, als spüre sie, dass sie verfolgt wurden. Dabei waren er und Godefroy, der neben seinen vielen anderen Qualitäten auch lautlos wie ein Luchs durch einen Wald schleichen konnte, so umsichtig wie nur möglich vorgegangen. Rogers hatte den Habit erkannt: Zisterzienserinnen. Er respektierte den Orden, auch und vor allem als Katharer. Anfangs hatten sie die Untersuchungen gegen die Ketzerei in Frankreich geleitet und hatten sich bemüht, so vernünftig wie möglich vorzugehen. Erst als der Mord an ihrem Inquisitor Pierre de Castelnau geschehen war – ein Mord, den die Bonhommes begangen hatten und zu dessen Erklärung die Worte noch des weisesten perfectus nicht gereicht hatten –, war das zögerliche Wohlwollen der Zisterzienser geschwunden. Noch später, als sie von den Dominikanern in der Rolle als Inquisitoren abgelöst worden waren, hatten sie sich gegen die zunehmende Brutalität der Inquisition gestellt. Kaiser Federico hatte sie dem Vernehmen nach als Einzigen der katholisch-christlichen Orden geschätzt. Wenn nur die Hälfte von ihnen der jungen Klosterschwester ähnelte, die mit ihrer Begleiterin gestern Abend in der verlassenen Burg aufgetaucht war, musste man Kaiser Federicos Menschenkenntnis bewundern.
»Glaubst du, dass Walter irgendwas gefunden hat?«, rief Godefroy, nachdem sie ihre Tiere in Trab und dann in Galopp hatten fallen lassen. Rogers’ schwarzer Mantel bauschte sich hinter ihm. Auf Godefroys Rücken hüpfte die Armbrust auf und ab, die er in Terra Sancta ergattert hatte. Er war ihr treu geblieben.
Rogers zuckte mit den Schultern. Er war sicher, dass Walter nichts gefunden hatte, aber er wollte Godefroy nicht den Mut nehmen.
»Und du bist immer noch der Meinung, dass dies der richtige Ort ist?«
Rogers zuckte wieder mit den Schultern. Es musste der richtige Ort sein, schon weil er keinen anderen Ort hatte, an den er hätte gehen können.
Bis sie die Burg erreicht hatten, war es beinahe dunkel. Im Westen war der Himmel noch überhaucht von schwindender Farbe, von Osten her zogen bereits die Sterne auf. Der Bergfried war ein düsterer Scherenschnitt davor, lichtlos, lautlos, leblos. Godefroy richtete sich im Sattel auf und stieß einen komplizierten Pfiff aus. Die Abendvögel verstummten schlagartig. Rogers sah Godefroy an. Der kleine Mann breitete die Arme aus.
»Damit treibt man in meiner Heimat die Schafe zusammen. Es war der einzige Pfiff, den ein Engländer sich merken konnte.«
»Offensichtlich nicht«, sagte Rogers.
Godefroy pfiff erneut. Rogers lockerte das Schwert in der Scheide und nahm die Zügel kürzer. Er fühlte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte.
»Komm schon, Walter, wir sind’s!«, rief Godefroy. Er fluchte und wand sich aus dem Gurt der Armbrust.
»Hör auf zu krakeelen,
Weitere Kostenlose Bücher