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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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allein war, tastete Constantia nach der Narbe auf der Innenseite ihres Oberschenkels und stellte sich dann vor, wie sie Rudeger das Messer entwand und es ihm ins Herz stieß. Manchmal tastete sie ganz unbewusst danach. Sie konnte sie durch drei Lagen Stoff spüren. Die Wunde war längst verheilt. Das, was der Schnitt in ihrem Herzen zurückgelassen hatte, heilte nicht, sondern schwärte Tag für Tag. Den Hass, der in ihr aufstieg, konnte sie nur bezähmen, indem sie sich sagte, dass sie selbst schuld war. Alles wäre anders gekommen, wenn sie vor der Hochzeit gebeichtet hätte.
    »Mmf!«, machte Johannes Wilt und schob die Würste ein wenig näher zu Constantia. »Iss was, Mädel, du siehst so dünn aus.«
    »Mir geht’s gut«, sagte Constantia.
    »Ihr geht’s gut«, sagte Rudeger gleichzeitig und tätschelte ihre Hand.
    »Du kannst nicht mehr Mädel zu ihr sagen, sie ist jetzt eine verheiratete Frau«, sagte Guda.
    Rudeger nahm eine der Würste und brach sie in der Mitte durch. Er reichte Constantia eine Hälfte. »Dünn bist du aber wirklich, da hat dein Vater recht. Bekommst du genügend Schlaf?« Er zwinkerte in Johannes’ Richtung. Johannes grinste und zwinkerte zurück.
    »Deine Mutter war am Anfang auch ganz dünn«, nuschelte er mit vollem Mund. »Ich war selber ganz abgehärmt … hehehe …«
    Guda, die noch immer eine Gestalt besaß, derer sich auch ein junges Mädchen nicht zu schämen brauchte, versetzte ihrem Mann unter dem Tisch einen Stoß. »Schämen muss man sich mit dir!«, zischte sie.
    »Wieso … mmpf … bleibt doch alles in der Familie?«
    Als er festgestellt hatte, dass Constantia keine Jungfrau mehr war, und nachdem er ihr den Schnitt beigebracht hatte, der dafür sorgte, dass ihr Blut auf dem Laken zu sehen gewesen war, hatte Rudeger Constantia vergewaltigt. Man konnte es nicht anders nennen, auch wenn niemand, noch nicht einmal ihre Eltern, es so empfunden hätten. Der Beischlaf war die Pflicht der Frau, um den Mann vor der Sünde des Ehebruchs zu bewahren und sich selbst vor den Attacken der Geilheit, der der Kirche zufolge das weibliche Geschlecht hilflos ausgeliefert war – nicht, dass Constantia jemals so etwas wie Lust empfunden hatte, wenn ein Mann sie zum Gefäß seiner Lust machte, weder damals noch jetzt. In den Nächten danach hatte Rudeger sie gezwungen, all das zu tun, was ihm eingefallen war. Geschlagen hatte er sie nicht mehr, und abgesehen davon, dass er auf die frische Schnittwunde keine Rücksicht genommen hatte, war er nicht unnötig grob gewesen. Tatsächlich waren ihm nicht einmal viele Besonderheiten jenseits der Übung, die Leibhemden hochzukrempeln und sich aufeinanderzulegen, eingefallen; perverserweise hatte Constantia sich deutlich sündigere Dinge vorstellen können und gefürchtet, dass Rudeger sie von ihr verlangen würde.
    Was er ebenfalls nicht getan hatte und wofür sie ihm auf unklare Weise dankbar war – ein Gefühl, das den Hass noch verstärkte –, war, zu ihren Eltern zu gehen und sich bei ihnen zu beschweren oder Constantia gar zu zwingen, öffentlich auf dem Platz vor der Kirche ihre Sünde zu bekennen und Buße zu tun. Mit dem Zeigen des blutigen Lakens hatte er sich dieser Möglichkeit beraubt und sie beide in einer merkwürdigen Schicksalsgemeinschaft gefangen, bei der die Wahrheit niemals zutage treten durfte, ohne dass beide Parteien in die größte Schande gestürzt wären.
    Irgendwann schien Rudeger sogar darüber weggekommen zu sein, dass sie ihn um ihre Jungfernschaft betrogen hatte. Er hatte keine außergewöhnlichen Anstrengungen mehr von ihr verlangt und keinen Anstoß daran genommen, dass sie nicht mehr tat, als seine Akrobatik über sich ergehen zu lassen, auch wenn er versuchte, sie zu erregen. Mit der Zeit hatte er sogar aufgehört, sich von ihr bedienen zu lassen, wenn die Monatskrankheit den Verkehr unmöglich machte, und beim letzten Mal hatte er, lange nachdem ihre Blutungen abgeklungen waren, noch immer nicht nachgefragt, ob sie schon wieder eine vollwertige Frau sei. Sie hätte angenommen, dass, was immer er an Gefühlen für sie hegte, stumpf geworden war, wenn sie ihn nicht ab und zu dabei ertappt hätte, dass er ihr undeutbare Seitenblicke zuwarf.
    »Hast du endlich von den Burschen aus Nuorenberc gehört, wann sie hier nach Wizinsten umzusiedeln gedenken? Mmmf … ich habe ein halbes Dutzend Leute am Hals, denen ich versprochen habe, ihre Tierhäute aufzukaufen … aber wenn es keine Gerberwerkstatt hier gibt,

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